Inhaltszusammenfassung:
T2-Signalhyperintensitäten im Tegmentum pontis werden in neuropädiatrischen
MRTs immer wieder beobachtet, sind jedoch bislang nur ungenau beschrieben
und ätiologisch nicht gut verstanden. Ziele der vorliegenden Arbeit waren eine
bessere anatomische und ätiologische Zuordnung solcher T2-Signalhyperintensitäten
in einem pädiatrisch-epileptologischen Kollektiv. Dazu wurden 223 hochaufgelöste
MRTs von 216 epilepsiekranken Kindern und Jugendlichen (zum Zeitpunkt
des MRTs 5,0 Monate - 25,5 Jahre alt) sowie deren Krankenakten retrospektiv
analysiert.
T2-Signalhyperintensitäten im Tegmentum pontis wurden bei 14 von 216 Kindern
gefunden (7%), alle lagen im Altersbereich von 5 Monaten bis 6 Jahren. Anatomisch
konnten sie eindeutig dem Tractus tegmentalis centralis zugeordnet
werden. Es zeigte sich eine Assoziation zur Einnahme von Vigabatrin (VGB):
Kinder mit VGB-Therapie zeigten signifikant häufiger T2-Signalhyperintensitäten
als Kinder ohne VGB-Therapie (6/18 vs. 8/202; p < 0,005). Außerdem waren die
Kinder mit T2-Signalhyperintensitäten und VGB-Therapie jünger als Kinder mit
T2-Signalhyperintensitäten ohne VGB-Therapie (median 1,1 Jahre vs. median
2,7 Jahre). Dabei begünstigten junges Alter und VGB-Therapie statistisch unabhängig
voneinander das Auftreten dieser T2-Signalhyperintensitäten.
In Assoziation zu einer VGB-Therapie traten T2-Signalhyperintensitäten im
Tractus tegmentalis centralis erst ab einer Einnahmedauer von mehreren
Wochen und insbesondere unter hohen Tagesdosen (> 100 mg/kg KG/d) auf.
Hingegen zeigte sich kein Zusammenhang mit der kumulativen VGB-Dosis.
Häufig stellten sich die T2-Signalhyperintensitäten im Tractus tegmentalis centralis
kräftig hyperintens dar, mit zusätzlichen T2-Signalhyperintensitäten in Nucleus
ruber, Substantia nigra, Thalamus, Nucleus dentatus, Globus pallidus und/oder
Hypothalamus. Die T2-Signalhyperintensitäten waren nach Absetzen von VGB
reversibel. Offenbar waren die T2-Signalhyperintensitäten asymptomatisch, in
Einzelfällen konnte ein Zusammenhang zu einer akuten neurologischen Symptomatik
in Form von Bewegungsstörungen und einer akuten Enzephalopathie
jedoch nicht ausgeschlossen werden.
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Da der genaue Pathomechanismus (diskutiert wird ein intramyelinisches Ödem
durch Vakuolenbildung) und somit auch die möglichen Langzeitfolgen weiterhin
ungeklärt bleiben, sollte bei Auftreten von VGB-assoziierten T2-Signalhyperintensitäten
die Effektivität der VGB-Therapie kritisch hinterfragt und nur bei guter
Wirksamkeit und in der niedrigsten effektiven Dosis fortgeführt werden.
Darüber hinaus waren T2-Signalhyperintensitäten im Tractus tegmentalis centralis
auch ohne VGB-Therapie zu sehen, wenngleich deutlich seltener (8/202; 4%)
und bei etwas älteren Kindern (Median: 2,7 Jahre). Diese T2-Signalhyperintensitäten
waren im Gegensatz zu VGB-assoziierten Veränderungen schwächer
hyperintens und gingen nicht oder nur vereinzelt mit T2-Signalhyperintensitäten
in anderen Hirnstrukturen einher.
Weder mit noch ohne VGB-Therapie konnte eine Assoziation zu vorbeschriebenen
Erkrankungen mit T2-Signalhyperintensitäten im dorsalen Hirnstamm bzw.
im Tractus tegmentalis centralis gefunden werden [(neuro-)metabolische Erkrankungen,
West-Syndrom, Cerebralparese], ebenso wenig eine Assoziation zu anderen
Grunderkrankungen, einer hochaktiven Epilepsie oder anderen Antiepileptika.
Auffallend war eine deutlich schlechtere motorische Entwicklung der Kinder
mit T2-Signalhyperintensitäten im Tractus tegmentalis centralis ohne VGB-Therapie
im Vergleich zu den VGB-behandelten Kindern mit T2-Signalhyperintensitäten
im Tractus tegmentalis centralis.
Das ähnliche Erscheinungsbild von T2-Signalhyperintensitäten im Tractus
tegmentalis centralis mit und ohne VGB-Therapie, bei Stoffwechselerkrankungen
und bei Kindern mit Cerebralparese einerseits sowie der enge Altersbezug andererseits
suggerieren eine gemeinsame pathomechanistische „Endstrecke“ in
Form einer maturationsabhängigen Vulnerabilität des Tractus tegmentalis centralis
gegenüber verschiedenen Noxen – insbesondere gegenüber Vigabatrin.