Inhaltszusammenfassung:
Schlaf unterstützt die Verfestigung von Gedächtnisspuren, aber die zugrundeliegenden neurophysiologischen Mechanismen sind noch nicht vollständig bekannt. Während neurochemische Transmission für die schlafabhängige Gedächtniskonsolidierung nicht von herausragender Relevanz zu sein scheint, erbrachte eine im Vorfeld der vorliegenden Dissertation durchgeführte Studie Anhaltspunkte für eine Beteiligung von Gap Junctions (elektrischen Synapsen) an der Verfestigung von deklarativen Gedächtnisinhalten im Schlaf; allerdings blieb offen, ob Schlaf während des Konsolidierungsintervalls eine notwendige Voraussetzung für den Beitrag der Gap Junctions ist. Vor diesem Hintergrund beschäftigte sich diese Studie mit der Frage, ob die pharmakologische Blockade von Gap Junctions, die das Transmembranprotein Connexin 36 enthalten, durch den Wirkstoff Mefloquin die Verarbeitung von deklarativen und prozeduralen Gedächtnisinhalten im Wachzustand beeinflusst. Für die Studie wurden zwölf männliche, gesunde und normalgewichtige Probanden rekrutiert. Sie verbrachten zwei Nächte im Schlaflabor, bei welchen sie jeweils entweder ein Placebo oder das Medikament Mefloquin einnahmen. Zu Versuchsbeginn am Nachmittag lernten sie zwei deklarative (Memory und Wortpaar-Lernen) und eine prozedurale Gedächtnisaufgabe (Fingertapping). Das Placebo bzw. das Medikament wurde abends vor einer Nacht mit Schlafentzug verabreicht. Am darauffolgenden Nachmittag erfolgte der Abruf der Gedächtnisinhalte. Im Anschluss an die wach verbrachte Versuchsnacht wurde in der Mefloquin- im Vergleich zur Placebobedingung eine verbesserte Retention der prozeduralen Gedächtnisinhalte festgestellt (gemessen als Abrufleistung mit Bezug auf die Leistung beim Lernen), wie sie auch in der Vorläuferstudie beobachtet wurde, die regelhaften Nachtschlaf beinhaltete. Die Retention der deklarativen Gedächtnisinhalte zeigte jedoch keine Unterschiede zwischen den Bedingungen. In den Kontrollparametern subjektive Müdigkeit und Reaktionszeit stellten sich zum Zeitpunkt des Abrufs in der Mefloquin- verglichen mit der Placebobedingung verbesserte Ergebnisse ein. Der Merkfähigkeitstest, der die Enkodierungsfähigkeit überprüfte, erbrachte im Wiedererkennungsteil, jedoch nicht im freien Abruf, verbesserte Leistungen unter der Mefloquinbedingung. Diese Ergebnisse sprechen gegen eine Beteiligung der Gap Junctions an schlafunabhängigen Mechanismen der Konsolidierung deklarativer Gedächtnisinhalte. Während des Schlafes laufen wichtige Mechanismen der Gedächtniskonsolidierung wie die Reaktivierung gelernter Inhalte ab, die vermutlich auf neurophysiologischen Phänomenen wie sharp wave ripples basieren. Da der hier implementierte Schlafentzug diese Phänomene weitgehend unterbindet, lässt dies auf eine entsprechende Beteiligung von Gap Junctions schließen. Sie sind somit für die Reaktivierung erlernter Inhalte möglicherweise von essentieller Bedeutung und sollten zukünftig weiter untersucht werden. Die sowohl hier als auch in der Schlafstudie beobachtete verbesserte Retention der prozeduralen Gedächtnisinhalte durch Mefloquin deutet im Kontext mit der gesteigerten Wachheit darauf hin, dass die Blockade der Gap Junctions einen unspezifisch aktivierenden Effekt ausübt, der sich in diesem Gedächtnisparameter niederschlägt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Blockade elektrischer Synapsen beim Menschen einen vom Gedächtnissystem abhängigen und mit Schlaf interagierenden Effekt auf die Gedächtnisbildung ausübt.