Inhaltszusammenfassung:
Eine allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation ist für viele insbesondere maligne Knochenmarkserkrankungen die einzige potentiell kurative Therapieoption. Eine häufige und gefürchtete Komplikation ist dabei das Auftreten einer akuten oder chronischen Graft-versus-Host Disease, bei der infolge einer Immunreaktion zwischen Spender-Immunsystem und Empfängergewebe schwere Organschäden auftreten können. Breiter Konsens herrscht für eine steroidbasierte Erstlinientherapie beider Ver-laufsformen. Im Falle eines steroidrefraktären Verlaufs hingegen existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Substanzen und Verfahren, deren Anwendung bislang jedoch we-nig Evidenz besitzt.
Aus diesem Grund ist das Ziel der vorgelegten Arbeit die retrospektive Analyse in Tü-bingen verwendeter Therapieoptionen für die akute und chronische GvHD in Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit ihres Ansprechens in der klinischen Praxis. Hierzu wurden Daten von n=721 Patienten verwendet, welche im Zeitraum zwischen Januar 2004 und Dezember 2013 im Zentrum für Stammzelltransplantation des Universitätsklini-kums Tübingen stammzelltransplantiert wurden. Es ergab sich eine kumulative Inzi-denz der akuten GvHD (Grad II-IV) von 23,6 % nach 100 Tagen und der chronischen GvHD von 39,1 % nach fünf Jahren. Jeweils etwa ein Drittel der betroffenen Patienten zeigte einen steroidrefraktären Verlauf. Das durchschnittliche Ansprechen der in die-sen Fällen angewendeten Therapien lag bei 27 % (aGvHD) beziehungsweise 44 % (cGvHD).
Anhand der hier ermittelten Ergebnisse im Kontext der Literatur schien insbesondere das Verfahren der extracorporalen Photopherese für beide Verlaufsformen vielverspre-chende Ansprechraten bei günstigem Nebenwirkungsprofil zu bieten. Target-Therapien ergaben hingegen unterdurchschnittliche Ergebnisse. Gängige Substanzen wie Mycophenolat-Mofetil oder Sirolimus waren lohnenswerte Alternativen in der The-rapie der aGvHD. Ein Verfahren mit möglicherweise großem Potential könnte die Ver-wendung mesenchymaler Stammzellen sein. Die jedoch erwartungsgemäß niedrigen Ansprechraten der Zweitlinientherapien sowie die Tatsache, dass das Nichtanspre-chen der Steroide im hier untersuchten Kollektiv zu einer ausgeprägten Mortalitätser-höhung führte, verdeutlichen den dringenden Forschungsbedarf sowohl bezüglich etablierter als auch neuer Therapieverfahren.