Inhaltszusammenfassung:
Zystische Fibrose (CF), auch bekannt als Mukoviszidose, ist die in den westlichen
Ländern am häufigsten vorkommende autosomal rezessiv vererbte Erkrankung,
ausgelöst durch Mutationen im CFTR-Gen (cystic fibrosis transmembrane conductance
regulator). Neben weiteren Symptomen ist CF vor allem charakterisiert durch eine im
Verlauf der Erkrankung immer wiederkehrende und schließlich chronisch verlaufende
Infektion der Lunge. Die daraus resultierende progressive Einschränkung der
Lungenfunktion stellt nach wie vor die Hauptursache für den letalen Verlauf der
Krankheit dar.
Während die bislang etablierte Mukoviszidosetherapie auf rein symptomatischen
Behandlungsmethoden beruht, zeichnet sich durch CF-Tiermodelle und die vorliegende
klinische Studie eine neue, kausal ansetzende Therapieoption mittels des trizyklischen
Antidepressivums Amitriptylin ab. Erstmals wurde das entzündungshemmende
Wirkungspotential von Amitriptylin und damit seine hemmende Wirkung auf den
fortschreitenden Prozess der Lungeninsuffizienz bei Menschen mit CF getestet.
Die molekularen Mechanismen, welche bei Mutationen innerhalb des CFTR-Gens zu
einer gesteigerten Infektanfälligkeit des Respirationstraktes führen, sind bislang noch
nicht ausreichend geklärt. Es konnte gezeigt werden, dass das CFTR-Molekül neben
seiner Funktion als Anionenkanal maßgeblich an der Aufrechterhaltung des sauren pH-Milieus intrazellulärer Vesikel im Respirationsepithel beteiligt ist. Eine eingeschränkte Funktion von CFTR hat schließlich über ein resultierendes Konzentrations-Ungleichgewicht zweier für den Sphingolipidstoffwechsel wesentlicher pH-abhängiger Enzyme, der sauren Sphingomyelinase (ASM) und der sauren Ceramidase, eine Alkalisierung dieser Vesikel mit konsekutiver Ceramid-Anreicherung zur Folge.
In vorangegangen Untersuchungen wurde die Hypothese generiert, dass die
Akkumulationen von Ceramid innerhalb des Respirationsepithels eine erhöhte
Zellapoptose, eine gestörte mukoziliäre Clearance, die Förderung des chronischen
proinflammatorischen Status, die hohe Infektanfälligkeit gegenüber des
Hauptinfektionserregers Pseudomonas aeruginosa und die Ausbildung von
Lungenfibrose bewirkt.
Das in unserer Studie verwendete Prüfpräparat Amitriptylin agiert neben seiner
Wirkung auf das zentrale Nervensystem als funktioneller Inhibitor der ASM und ist
damit nach unserer Hypothese in der Lage die Ceramidkonzentration im
Respirationsepithel zu senken.
Nach der erfolgreichen Durchführung einer Pilot- und Phase IIa-Studie überprüften wir
im Rahmen einer placebo-kontrollierten, prospektiven, randomisierten, doppelverblindeten Studie an 40 erwachsenen CF-Patienten anhand diverser
Surrogatparameter die Wirkung von Amitriptylin. Gegenstand der Untersuchung waren
dabei die Veränderung der Lungenfunktion (gemessen als FEV1 mittels Spirometrie),
der Einfluss auf die epitheliale Ceramidexpression (fluoreszenzmikroskopisch gemessen in nasalen Mukosazellen), auf abgestorbenes Zellgewebe (gemessen als DNAKonzentration im Trachealsekret), auf die proinflammatorische Immunlage
(Leukozyten-Konzentration und Konzentration pro- sowie anti-inflammatorischer
Zytokine gemessen in Trachealsekret und Serum) und auf die pulmonale Bakterienlast
(gemessen als P. aeruginosa-Kolonienzahl).
Unter der Therapie von täglich 2x25 mg Amitriptylin lässt sich eine statistisch und
klinisch relevante Veränderung der Lungenfunktionswerte bestätigen. Eine zeitgleich
signifikante Abnahme der epithelialen Ceramidkonzentrationen unterstützt das
zugrunde liegende Therapiekonzept. Die weiteren sekundären Zielparameter ergaben
zwar positive Tendenzen, jedoch keine statistisch signifikanten Veränderungen.
Durch das ursächliche Eingreifen in den Progress der Lungeninsuffizienz könnte durch
die Medikation mit Amitriptylin eine neue Mukoviszidose-Therapie etabliert werden,
welche sowohl zu einer deutlichen Steigerung der Lebensqualität als auch der
Lebenserwartung führen könnte. Eine klinische Phase III-Studie an insgesamt 102 CF-Patienten mit dem Ziel der Verifizierung des Wirkmechanismus von Amitriptylin im
Einsatz bei CF ist zwischenzeitlich im Gange.