Inhaltszusammenfassung:
Mit dem Tübinger Linosa-Survey wurde die Besiedlungsgeschichte der Vulkaninsel Linosa (Aethusa/Aegusa), der nördlichsten Pelagischen Insel, untersucht. Die geringe Größe von nur 5,2 km² und das Fehlen von Süßwasserquellen lassen sie als ‚Marginalraum‘ erscheinen. Der Fokus der Studie liegt daher auf der Analyse der Wasserversorgung durch die Speicherung saisonaler Niederschläge. Nach Ausweis von Dokumenten aus der Zeit der Bourbonischen Kolonisation Linosas, nutzten die Kolonisten des 19. Jh. mehr als 150 antike Zisternen zur Süßwasserversorgung. Diese hydraulischen Infrastrukturen dienen dem Inselsurvey als Indikatoren für antike Siedlungsmuster sowie als Quelle für die Untersuchung des Managements der knappen Ressource. Um die weitgehend unerforschten antiken Besiedlungsphasen Linosas fassen zu können, wurde die Untersuchung mit einem Keramiksurvey kombiniert. Die Ergebnisse zeigen, dass Linosa anders als die umliegenden Inseln während langer Zeiträume unbesiedelt war. Vereinzelte Funde deuten darauf hin, dass die Insel seit der Bronzezeit immer wieder frequentiert, jedoch nicht permanent besiedelt wurde. Daher wird vorgeschlagen, dass Linosa in Analogie zur neuzeitlichen Nutzung der Insel in einem intrainsularen Weidewirtschaftssystem von umliegenden Inseln für Weidezwecke genutzt wurde. Dafür spricht auch ein in antiken Schriftquellen überlieferter Inselname Aegusa (Αἴγουσα) – Ziegeninsel. Eine dauerhafte Siedlung kann erst für das 5. bis 6. Jh. n. Chr. nachgewiesen werden. Fundmaterial aus dieser Zeit macht 95 % des datierten Surveymaterials aus. Die Keramik und die Typologie der Wasserspeicher machen eine Besiedlung aus Nordafrika wahrscheinlich. Dieser ephemeren Besiedlungsepisode folgt bis in das 19. Jh. n. Chr. wieder eine lange Phase, während der Linosa vor allem als Satelliteninsel Maltas frequentiert wurde. Erst im mittleren 19. Jh. erfolgte eine erneute Kolonisierung der Insel, die diesmal von Sizilien ausging und die Grundlage der heutigen Siedlung auf Linosa bildet.