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Die Spinocerebelläre Ataxie Typ 3 ist eine autosomal-dominant vererbbare
neurodegenerative Erkrankung und gehört zu der heterogenen Gruppe der
autosomal-vererbbaren Ataxien. Unter ihnen ist sie mit einem weltweit variablen
Anteil von 15-45% die häufigste Form der Ataxie. Mit einer Prävalenz von weniger
als 3 Erkrankten pro 100.000 Einwohnern gehört sie dennoch zu der Gruppe der
Seltenen Erkrankungen. Auslöser der Erkrankung ist eine Verlängerung der
CAG-Wiederholungs-Sequenz im ATXN3-Gen. Auf Proteinebene codiert diese
Sequenz für Glutamin, dementsprechend entsteht bei einer Mutation eine
verlängerte Polyglutaminsequenz im Ataxin-3. Bei einer Anzahl von >45 CAG-
Wiederholungen kommt es laut aktueller Literatur zum klinischen Vollbild der
Erkrankung. Die Erkrankung präsentiert sich in ihrer klinischen Symptomatik sehr
unterschiedlich, zu den typischen Symptomtrias gehören dabei eine progrediente
Gangataxie, eine externe Opthalmoplegie sowie ein pathologischer Reflexstatus.
In der klinischen Ausprägung wird die Erkrankung, abhängig vom dominierenden
Symptom und dem Erkrankungsalter in fünf Subtypen unterteilt.
Der Großteil der Betroffenen erkrankt im mittleren Alter zwischen 20-50 Jahren.
Dabei zeigen sich auch extreme Ausreißer des Erkrankungsalters von 5-70
Jahren. Eine Erklärung für diese große Varianz bietet die negative Korrelation
des Erkrankungsalters mit der individuellen Anzahl an CAG-Wiederholungen im
mutierten ATXN3-Gen. Je nach Größe der Kohorte ist diese Korrelation für 40-
75% der Betroffenen eindeutig. Für einen Großteil der Mutationsträger ist eine
alleinige Bestimmung der Anzahl an CAG-Wiederholungen demnach kein
aussagekräftiges Kriterium, um den Zeitpunkt und Verlauf der Erkrankung
vorauszusagen.
Diese Arbeit beschäftigt sich damit, weitere genetische Einflussfaktoren auf das
Erkrankungsalter der SCA3 zu identifizieren und ihren tatsächlichen Einfluss
statistisch zu überprüfen. Wir wählten dafür vier Einzelnukleotidpolymorphismen
in zwei Kandidatengene aus der Literatur aus. Mittels allelspezifischer PCR und
anschließender Sanger-Sequenzierung konnten wir für zwei SNPs in APOE
(rs429358 und rs7412) im High-Resolution-Melting charakteristische
Kurvenverläufe für die einzelnen Genotypen identifizieren und 346
Patientenproben analysieren. Mittels Schmelzkurvenanalyse konnten wir in der
gleichen Kohorte einen SNP (rs1559085) in CAST typisieren. Die Etablierung
einer Typisierungsmethode für einen zweiten SNP (rs27852) in CAST blieb leider
erfolglos.
Die Ergebnisse der statistischen Auswertung zeigten, dass APOE einen
signifikanten Einfluss auf das Erkrankungsalter der SCA3 haben kann. Dabei
erwies sich das APOE e2 Allel als größter Einflussfaktor. In einer ANOVA Analyse
von Merkmalsträgern und Nicht-Merkmalsträgern konnte eine Verringerung des
Erkrankungsalters von durchschnittlich 2 Jahren bei Vorliegen eines e2 Allels
festgestellt werden. Bei der individuellen Betrachtung der SNPs in APOE konnte
gezeigt werden, dass durch die Analyse von rs429358 der prädiktive Wert für das
Erkrankungsalter signifikant um zusätzliche 2% verbessert werden kann. Der
rs7412 schien einzeln betrachtet keinen prädiktiven Mehrwert zu haben. Die
Kombination beider Polymorphismen als Haplotyp verbessert den prädiktiven
Wert für das Erkrankungsalter jedoch um 5%.
Die Analyse des SNP rs1559085 in CAST ergab mit einem p-Wert > 0,5 keinen
signifikanten Einfluss auf das Erkrankungsalter der SCA3. Allerdings konnte eine
deutliche Verminderung des Erkrankungsalters bei Vorliegen eines homozygoten
G/G Genotyp um durchschnittlich – 3,8 Jahre im Vergleich mit dem häufigeren
Genotyp A/A festgestellt werden. Ebenso zeigte eine Analyse der
durchschnittlichen Anzahl an CAG-Wiederholungen in Abhängigkeit der
Genotypen von rs1559085, dass bei Vorliegen eines G/G Genotyps die Anzahl
der Wiederholungen im Schnitt um + 3 erhöht ist. Dieser Zusammenhang ist mit
einem p-Wert von 0,25 zwar nicht signifikant, zeigt jedoch eine mögliche Tendenz
eines Zusammenhangs zwischen dem Genotyp von rs1559085 in CAST und der
Anzahl an CAG – Wiederholungen.
Mit 346 Patientenproben bildet die in dieser Arbeit analysierte Kohorte ein
deutlich größeres Kollektiv ab als die meisten vergleichbaren Studiendesigns.
Durch die Verwendung fast ausschließlich europäischer Proben darf jedoch auch
ein populationsspezifischer Effekt nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Die
Ergebnisse dieser Arbeit sollten in einer weiteren, unabhängigen Kohorte
bestätigt werden. Außerdem erfolgte die Überprüfung des Einflusses der
Polymorphismen ausschließlich an Betroffenen. Um eine relevante Modifikation
durch den jeweiligen überprüften Polymorphismus definitiv nachweisen zu
können, sollte ein Vergleich mit gesunden Kontrollprobanden erfolgen.
Unter Einbezug der gewonnen Erkenntnisse über mögliche
populationsspezifische Bias und Einflüsse der DNA-Qualität auf durchgeführte
Analysen, legen die Ergebnisse dieser Doktorarbeit nahe, dass mit den
verschiedenen Haplotypen von APOE weitere genetische Modifikatoren auf das
Erkrankungsalter der SCA3 existieren. Unter Einbezug dieser genetischen
Information könnte der Vorrausagewert über das Erkrankungsalter um 5%
gesteigert werden. In einzelnen Kohorten könnte somit für bis zu 75% eine
zuverlässige Voraussage über das Erkrankungsalter von Mutationsträgern
getätigt werden. Auch wenn dabei im Bestfall weiterhin für ¼ der Betroffenen
keine verlässliche Aussage über den Zeitpunkt ihrer Erkrankung getätigt werden
kann, so zeigen die methodischen Ansätze und Ergebnisse dieser Arbeit eine
Möglichkeit genetische Einfluss der SCA3 zu identifizieren.
Höchstwahrscheinlich existieren viele weitere genetische, epigenetische und
Umweltfaktoren, die eine Erklärung der Varianz des Erkrankungsalters der SCA3
ermöglichen würden. Diese zu identifizieren und charakterisieren ist auch in
Zukunft entscheidend, um Erkenntnisse über den Pathomechanismus der
Erkrankung zu gewinnen und mögliche Ansätze für zukünftige kurative
Therapiemöglichkeiten zu erkennen. |
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