Baisingen – NS-Verfolgung einer jüdischen Landgemeinde. Studiogespräch mit Franziska Becker

Autor(en): Hägele, Ulrich
Moderation: Hägele, Ulrich
Technik: Zschorsch, Kolja
Sendedatum: 2024-01-28
Weitere Ausstrahlungen: 2024-01-31
Länge: 01
Programmplatz: Microeuropa
Gäste, Anlässe, Orte: Franziska Becker
Archiv-Nr.: 515
Thema: Im Landkreis Tübingen gab es in Baisingen, heute ein Stadtteil von Rottenburg, eine große jüdische Landgemeinde mit über hundert Mitgliedern. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 schändeten die Nazis auch dort die Synagoge. Sie raubten die Tora-Rolle, rissen die Bänke heraus und zerstörten die Leuchter. Manchen der Baisinger Jüdinnen und Juden gelang die Flucht nach Amerika oder Palästina. Nur vier kehrten zurück. Darunter der Viehhändler Harry Kahn. Heute ist die ehemalige Synagoge Gedenkstätte und Museum. Die promovierte Kulturwissenschaftlerin und Mediatorin Franziska Becker forschte Mitte der 1980er Jahre im Rahmen ihrer Magisterarbeit im Fach EKW über den nationalsozialistischen Terror an Juden in Baisingen. Das Buch dazu war lange vergriffen. Der Tübinger EKW-Verlag hat es nun in einer erweiterten Fassung neu aufgelegt. Der Titel: "Gewalt und Gedächtnis. Erinnerungen an die nationalsozialistische Verfolgung einer jüdischen Landgemeinde". Im CampusFunk-Studiogespräch mit Ulrich Hägele berichtet Franziska Becker über ihre Recherchen in Baisingen und Umgebung. Die Nazis hatten die Baisinger Jüdinnen und Juden an drei Terminen 1941 und 1942 in die Konzentrationslager Theresienstadt und Auschwitz deportiert. Mitnehmen durften sie nur was in einen Koffer passte. Zur Sprache kommt das erschreckende offizielle Vorgehen der Nazis, den jüdischen Besitz – Gebäude, Scheunen, Möbel, Kleider, Weißzeug, Geschirr etc. – kurz nach der Deportation gewinnbringend an die Einheimischen zu verkaufen. Federführend war damals die Finanzbehörde in Horb. Franziska Becker beschreibt ebenso, wie wenig sich die Baisingerinnen und Baisinger um ihre verschleppten Nachbarn kümmerten. Viele verschlossen an den drei Deportationstagen einfach ihre Fensterläden. Die jüdische Kunst und Kultur wollten die Nazis ausradieren. Um so wichtiger ist es, dass wir uns heute an sie erinnern. Zur Sendung spielen wir Musik aus den 1930er Jahren von einst populären Interpret*innen. Die Nazis trieben unzählige von ihnen in die Emigration oder ermordeten sie in den Vernichtungslagern. So auch Willy Rosen, Paul Ehrlich und Paul O' Montis. Willy Rosen und Max Ehrlich starben beide am 1. Oktober 1944 in der Gaskammer von Auschwitz-Birkenau. Der bekennende Homosexuelle Paul O' Montis wurde am 17. Juli 1940 im Konzentrationslager Sachsenhausen erschlagen.
Klassifikation: Geschichte
Gesellschaft
Aufnahmedatum: 2023-12-18
Form: Live-Aufzeichnung, geschnitten
Musikstücke: 01 Willy Rosen (18.7.1894-1.10.1944/KZ Auschwitz-Birkenau) – Sag' mir nicht 'Ich liebe Dich' (1931) 02 Max Ehrlich (7.12.1892-1.10.1944/ KZ Auschwitz-Birkenau) – Die Mädels vom Chantant (1931) 03 Paul O'Montis (3.4.1894-17.7.1940/KZ Sachsenhausen) – Wenn ich mal eine Dummheit mach' (1932)
Zitierfähiger Link (URI): http://hdl.handle.net/10900/151390
http://dx.doi.org/10.15496/publikation-92730
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