Inhaltszusammenfassung:
Diese Arbeit untersuchte die Bedeutung von Serum-IGF-1 für das Outcome nach
HSZT bei onkologischer Erkrankung im Kindes- und Jugendalter. Ziel war es,
eine mögliche Relevanz der Höhe des IGF-1-Serumspiegels für das Überleben
und das Auftreten von Transplant-Komplikationen aufzuzeigen und die
Aussagekraft des Wachstumsfaktors als prognostischen Marker zu prüfen. Die
Fragestellung basiert auf der Erfahrung, dass ein beeinträchtigter körperlicher
Zustand sowohl den Therapieerfolg nach HSZT negativ beeinflussen als auch
mit niedrigeren IGF-1-Serumspiegeln einhergehen kann.
Die hierzu durchgeführte retrospektive Studie bezog alle pädiatrischen Patienten
im Alter von null bis einschließlich 18 Jahre, die zwischen 1987 und 2014 in der
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Tübingen aufgrund von
onkologischer Erkrankung eine oder mehrere HSZT erhielten, ein. Erhoben
wurden patientenspezifische Daten, Parameter der HSZT inklusive Transplant-Komplikationen sowie Serum-IGF-1 und IGFBP-3 mit zugehörigem SDS vor
HSZT und im Verlauf. Möglichst aktuelle Informationen zum Zustand der
Patienten wurden aus der Dokumentation von Konsultationen der Patienten im
Rahmen der Nachsorge oder anderer Vorstellungen am Universitätsklinikum
Tübingen sowie Meldungen an das Kinderkrebsregister Mainz gewonnen. Zur
Auswertung der Daten wurde das Studienkollektiv in Abhängigkeit des Risikos
der Grunderkrankung den vier Risikogruppen A-D zugeordnet und es erfolgte
eine Unterteilung bezüglich der Höhe des IGF-1- und IGFBP-3-Serumspiegels
vor HSZT in Quartile beziehungsweise Dezile.
Die Auswertung der Daten zum aktuellen Zustand der Patienten ergab eine
erfreuliche Vollständigkeit mit 96, 94 und 83 % drei, fünf und zehn Jahre nach
HSZT. Bei insgesamt 587 eingeschlossenen Studienteilnehmern lag zu 89 kein
IGF-1 vor HSZT vor.
Zum Zeitpunkt der Datenerhebung waren 54,5 % (n = 320) der Patienten als
verstorben dokumentiert. Die Ein-, Zwei- und Fünf-Jahres-Überlebensrate betrug
63, 53 und 47 %. Im Mittel lag der SDS von IGF-1 vor HSZT bei -1,67 sowie ein
und zwei Jahre nach HSZT bei -1,52 und -1,39. Der Mittelwert des SDS von
IGFBP-3 vor HSZT war -1,22. Diese Ergebnisse bekräftigten die Vermutung
pathologisch niedriger IGF-1- und IGFBP-3-Serumspiegel bei den in die Studie
eingeschlossenen Kindern und Jugendlichen und die auch heute noch hohe
Mortalität, für welche maßgeblich die ersten fünf Jahre nach HSZT von
Bedeutung sind. Für die Risikogruppen A-D waren die Überlebenszeitkurven
signifikant unterschiedlich (p < 0,001) und der Anteil als verstorben erfasster
Patienten zum Zeitpunkt der Datenerhebung nahm in etwa die erwarteten Werte
an (47: 51: 68: 92 %).
Die IGF-1 Quartile 1-4 unterschieden sich signifikant bezüglich der TRM
(p = 0,027) sowie der Häufigkeit des Auftretens der Transplant-Komplikationen
VOD (12: 12: 1: 3 %; p < 0,001) und TMA (5: 2: 0: 0 %; p = 0,004). Die IGF-1
Dezile 1 wies, verglichen mit den Dezilen 2-10, eine signifikant abweichende
Überlebenszeitkurve (p = 0,042) mit einem höheren Anteil zum Zeitpunkt der
Datenerhebung verstorbener Patienten (65: 51 %) und erheblich kürzerer
medianer Überlebenszeit (12: 68 Monate) auf. Auch zwischen den IGFBP-3
Quartilen 1-4 war die TRM signifikant verschieden, zeigte allerdings einen nicht
linearen Zusammenhang mit der Höhe des Serum-IGFBP-3 (p = 0,017).
IGF-1 konnte im Kollektiv dieser Studie folglich als prognostischer Faktor für die
TRM sowie die Transplant-Komplikationen VOD und TMA und bei besonders
niedrigen Spiegeln auch für das Gesamtüberleben konstatiert werden. Sollten
diese Beobachtungen in größeren Studien reproduzierbar sein und Kausalitäten
belegt werden können, ließen sich diagnostische und therapeutische
Konsequenzen ableiten. Der Serumspiegel von IGF-1 vor HSZT könnte in die
Abschätzung des Transplant-assoziierten Risikos und die Entscheidung für oder
gegen bestimmte prophylaktische oder therapeutische Maßnahmen einfließen.
Unter Beachtung von Bedenken zur Sicherheit, insbesondere bezüglich maligner
Veränderungen, könnte zudem bisher hauptsächlich bei bestimmten
Wachstumsstörungen angewandter rhIGF-1 auch eine Bedeutung im Kontext der
HSZT erlangen.
Zusammenfassend erlaubt diese Arbeit erste Erkenntnisse zu einer möglichen
Korrelation zwischen IGF-1 und dem Outcome nach HSZT. Sie kann die Basis
für weitere Forschung auf diesem Gebiet darstellen.