Inhaltszusammenfassung:
Eine sinkende perioperative Mortalität bei Kindern rückt zunehmend andere
Endpunkte in den Fokus (Flick et al., 2007, Schiller et al., 2018). Eine
Kombination aus geringer Toleranz der zerbrechlichen zerebralen
Blutversorgung, sowie Blutdruckschwankungen durch Krankheit, Operation,
Narkose und fehlenden Blutdruckempfehlungen scheint eine Ursache für
langfristig schlechteres neuropsychologisches Outcome kritisch kranker Kinder
zu sein (McCann and Soriano, 2012, Schiller et al., 2018, McCann et al., 2014,
Volpe, 1997). Mithilfe der Nah-Infrarot Spektroskopie, kann bei Kindern der
Blutdruck mit der robustesten zerebralen Autoregulation identifiziert werden (Lee
et al., 2009, Blaine Easley et al., 2013, Kim et al., 2010, Steiner et al., 2002). Ein
tatsächlicher Blutdruck nah am so ermittelten optimalen Blutdruck (MADopt ) ist
mit einem besseren Outcome assoziiert (Lee et al., 2013, Howlett et al., 2013,
Kramer et al., 2019, Rivera-Lara et al., 2017, Aries et al., 2012, McCann and
Schouten, 2014).
Ist ein intraoperatives NIRS basiertes Autoregulationsmonitoring praktikabel,
sicher und geeignet, einen individuell optimalen Blutdruck bei Kindern unter 4
Jahren zu identifizieren?
Hierzu wurde während 20 Operationen am Universitätsklinikum Tübingen bei
Kindern unter 4 Jahren der Hämoglobinvolumen Index (HVx) bestimmt. Mithilfe
der Software ICM+ wurde ein MADopt , sowie bei einem HVx >0.3 eine oberer bzw.
unterer Grenze des autoregulierten Bereichs identifiziert und der Zeitanteil mit
einem Blutdruck außerhalb des autoregulierten Bereiches konsekutiv ermittelt.
Bei 19/20 Patienten konnte ein optimaler Blutdruck bestimmt werden. Abhängig
von spontanen Blutdruckschwankungen benötigte ein erster verlässlicher MADopt
18 – 79 Minuten. Insgesamt war der tatsächliche Blutdruck 30 ± 24 % der Zeit in
einem möglichen Risikobereich. Der Blutdruck war in 24 % der Zeit zu niedrig
und in 13 % der Zeit zu hoch. Andere Methoden, wie gewichtsadaptierte
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Blutdruckempfehlungen oder der regionalen Gewebesättigung konnten nur einen
Bruchteil des möglichen Risikobereiches identifizieren.
Die in dieser Arbeit gefundenen Ergebnisse entsprechen den Erwartungen aus
vorherigen Untersuchungen. Aufgrund der stärkeren spontanen
Blutdruckschwankungen im Rahmen der Operation konnte hier deutlich schneller
ein erster MADopt identifiziert werden. Die notwendige manuelle
Artefaktelimination stellt allerdings eine deutliche Limitation dieser Arbeit dar.
Das Pausieren der Messung bei pflegerischen Maßnahmen könnte dieses
Problem in zukünftigen Untersuchungen lösen.
Zusammenfassend konnte in dieser Arbeit ein weiterer Grundstein der
Bestimmung individualisierter Blutdruckziele für Kinder gelegt werden. Es zeigt
sich aufgrund des kleinen autoregulierten Blutdruckbereiches und der großen
individuellen Unterschiede, dass gewichtsadaptierte Empfehlungen lediglich
einen ungenauen Rahmen darstellen können. Ein Monitoring des rSO2 erkennt
erst manifeste Abfälle in der Gewebesättigung und kann daher eher als
Sekundärprävention von Hypoperfusionen verstanden werden. Mithilfe des
Autoregulationsmonitorings kann wenig invasiv und teilweise auch schnell ein
optimaler Blutdruck identifiziert werden. Zukünftige Therapiestudien sollten
untersuchen, ob und wie eine iatrogene Beeinflussung des Blutdrucks hin zum
MAD opt das perioperative Risiko und langfristige Outcome verbessern kann.