Ein multimodaler Ansatz zur Untersuchung von neuronalen Netzwerken und Verhalten in der Interaktion mit Essen sowie deren klinischer Implikationen

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Zitierfähiger Link (URI): http://hdl.handle.net/10900/132345
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-1323451
http://dx.doi.org/10.15496/publikation-73701
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2022-10-20
Sprache: Deutsch
Fakultät: 7 Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Fachbereich: Psychologie
Gutachter: Hautzinger, Martin (Prof. Dr.)
Tag der mündl. Prüfung: 2022-09-30
DDC-Klassifikation: 150 - Psychologie
Freie Schlagwörter: Neuromodulation
Binge-Eating-Störung
fNIRS
EEG
Virtuelle Realität
Essen
Kognitive Kontrolle
dorsolateraler Präfrontalkortex
essensspezifische Kognitionen
neuronale Netzwerke
tDCS
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

Psychische Erkrankungen, deren Diagnostik und effektive Behandlung, stellen eine zentrale Herausforderung für die Gesellschaft und das Gesundheitssystem dar. Gerade die Binge-Eating-Störung (BES), eine Essstörung mit wiederkehrenden Essanfällen ohne kompensatorische Maßnahmen, gewinnt aufgrund steigender Prävalenz in der Gesamtbevölkerung und häufiger Komorbidität mit somatischen Diagnosen wie Diabetes-2 und Adipositas zunehmend an Bedeutung. Zur Erweiterung des transdiagnostischen Erkenntnisstands und zur Entwicklung darauf basierender innovativer, neuer Behandlungsansätze bei der BES bieten sich vor allem multimodale Ansätze an. Multimodale Ansätze verbinden verschiedene experimentelle Ansätze und Technologien wie bildgebende Verfahren, Neuromodulation, virtuelle Realität (VR), selbstberichtete Fragebögen, semi-strukturierte klinische Interviews und experimentelle Paradigmen zur Operationalisierung kognitiver Funktionen, um dadurch ein ganzheitliches und umfassendes Gesamtbild spezifischer psychologischer Phänomene und psychopathologischer Phänotypen zu erhalten. In der vorliegenden Dissertation wurden mithilfe multimodaler Ansätze kognitive, neurobehaviorale und symptom-assoziierte Prozesse bei Konfrontation mit Nahrungsreizen in Stichproben mit und ohne BES untersucht. Gewonnene Erkenntnisse tragen dazu bei, ein tieferes Verständnis von spezifischen Symptomen der BES, aber auch von essensbezogenen Kognitionen im Allgemeinen und den zugrundeliegenden Prozessen zu erhalten. Somit kann der grundlagenforschungsorientierte Wissensstand zur Objektivierung essensbezogener Kognitionen in diesem Bereich erweitert werden; es können aber auch neue Erkenntnisse bezüglich klinischer Implikationen, einer objektiven Operationalisierung und neuer Behandlungsansätze bei der BES gewonnen werden. Im Bereich der Grundlagenforschung konnte gezeigt werden, dass differentielle Effekte bei der manuellen Interaktion mit Essen in der VR bei Personen mit und ohne BES existieren und dies die Annahme eines impulsiven und reflektierenden Systems stützt (Reflective-Impulsive Model; RIM). So fand sich eine schnelle, impulsive erste Phase, bei der Essen schneller erkannt worden ist als nicht-essensbezogene Kontrollobjekte und bei der ein nachfolgendes Annäherungsverhalten zum Essen schneller eingeleitet wurde. In einer zweiten Phase wurde dieses Essen jedoch langsamer eingesammelt als die Kontrollobjekte, was für die Aktivierung eines reflektierenden Systems spricht. Die manuelle Interaktion mit Essen ging bei Personen ohne BES mit einer erhöhten Aktivität im rechten dorsolateralen Präfrontalkortex (dlPFC) einher, was auf die Aktivierung eines spezifischen Essensbewertungs-Netzwerks und auf eine Interkonnektivität zwischen dlPFC und dem orbitofrontalen Kortex (OFC) hinweist. Das schnellere Kategorisieren und Einleiten eines Annäherungsverhaltens bei Personen mit BES deckt sich mit der Annahme einer erhöhten essensbezogenen Impulsivität, steht jedoch im Kontrast zum Befund des verlangsamten Einsammelns des Essens. Dies könnte allerdings auch durch möglicherweise aversive motivationale Prozesse erklärt werden. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass differentielle Effekte in der manuellen Interaktion mit Essen in der VR besser detektiert werden können als auf einem 2D-Touchscreen. Im Bereich neuer klinischer Implikationen zu Behandlungsansätzen der BES zeichneten sich zwei Facetten ab: Zum einen zeigte sich, dass die Validierung des neu in der VR implementierten experimentellen Paradigmas zu insensitiv erschien, um differentialdiagnostisch relevante manuelle Interaktionsmuster mit Essen bei Personen mit BES zu identifizieren und Bezüge zu spezifischen Markern der Psychopathologie, des Essverhaltens, des Verlangens nach Essen oder der generellen Impulsivität herzustellen. Zum anderen zeigte sich, dass die Verbindung eines kognitiven Trainings zur Modifikation einer kognitiven Aufmerksamkeitsverzerrung gegenüber Essen bei Patienten mit BES mit nichtinvasiver Hirnstimulation einen vielversprechenden Ansatz bieten könnte. So konnte die Inhibitionsfähigkeit mithilfe von 2 mA anodaler transkranieller Gleichstromstimulation des rechten dlPFC in einem experimentellen Paradigma gesteigert werden und ein neuromodulationsunspezifischer Effekt bei der Reduktion von Binge-Eating-Episoden während der Studienteilnahme über 3 Messzeitpunkte hinweg beobachtet werden. Zusätzlich schienen vor allem Personen mit erhöhter prädisponierter neuronaler Ressourcenallokation im EEG, nämlich der P3-Komponente, von neuromodulationsgestützten Trainings profitieren zu können, was Evidenz liefert, dass insbesondere interindividuell abgestimmte kognitive Trainings zu einer maximalen Effektivität bei der Behandlung von BES führen könnte.

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