Dissertation ist gesperrt bis 28.03.2024 !
Medikamenteninduzierte Leberschädigung (drug-induced liver injury, DILI) ist nach
wie vor eine der größten Nebenwirkungen bei der Behandlung von Patienten und macht
mehr als 10% aller Fälle von akutem Leberversagen aus. Dementsprechend kommt es
immer noch häufig zu Rücknahmen von Arzneimitteln vom Weltmarkt. Der Goldstan-
dard zur Diagnose und Vorhersage von DILI umfasst insbesondere die Bestimmung der
Alaninaminotransferase (ALT) in Verbindung mit einer sorgfältigen Bewertung und
dem Ausschluss anderer zugrundeliegender Leberschäden. Die Vorhersage für DILI
nach dieser Mess- und Bewertungsmethode ist jedoch selten spezifisch. Aktuelle Unter-
suchungen klinischer DILI-Studien ergaben potenzielle neue Proteinbiomarker für DILI,
darunter glutamate dehydrogenase (GLDH), high-mobility group protein B1 (HMGB1),
keratin 18 (K18 in voller Länge und ccK18 als durch Kaspase gespaltenes Produkt),
macrophage colony stimulating factor 1 receptor (MCSF1R), and osteopontin (OPN).
Diese Proteine könnten möglicherweise durch ihre Funktion als potenzielle mechanis-
tische Marker sowohl für die Immunreaktion, als auch für Apoptose und Nekrose von
Hepatozyten bei medikamentöser Behandlung eine bessere Diagnose und Vorhersage
spezifisch für DILI liefern. Die Verwendung dieser Proteine als potenzielle Biomarker
für DILI in Tierversuchen und damit ihre Übertragbarkeit vom Menschen auf das Tier
für präklinische Studien ist von besonderem Interesse, um mit einer verbesserten Di-
agnose von DILI in Fällen von Leberschädigung früher in der Arzneimittelentwicklung
einzugreifen. Sowohl Serum als auch Plasma werden als klinische Probenmatrix ver-
wendet, aber ihre Vergleichbarkeit hinsichtlich präanalytischer Matrix- und Proben-
bearbeitungseffekten ist nicht vollständig untersucht.
Basierend auf der Methode immunoaffinity liquid chromatography tandem mass spec-
trometry (IA-LC-MS/MS) wurden Assays zur multiplexen Quantifizierung der poten-
ziellen Biomarker für DILI entwickelt. Diese Assays wurden zur Aufklärung von Matrix-
und Probenbearbeitungseffekten in humanen Plasma- und Serumproben verwendet.
Herkömmliche Sandwich-Immunassays wurden mit den Ergebnissen der IA-LC-MS/MS-
Methode verglichen. Um die Übertragbarkeit von Biomarkern zu testen, wurde die
Wirkung von Arzneimitteln und Reagenzien, von denen bekannt ist, dass sie Leber-
schäden hervorrufen, in präklinischen Studien mit Ratten als Tiermodell untersucht.
Acetaminophen (APAP), 4,4’-Methylendianilin (DAPM), Thioacetamid, Brom-benzol
und Tetrachlorkohlenstoff (CCl4) wurden hierfür verwendet. APAP, Thioacetamid und
Brombenzol wurden auf Dosiseffekte hin getestet, während für DAPM und CCl4 zeitab-
hängige Effekte und für CCl4 eine tägliche Medikamentenbehandlung untersucht wur-
den.
HMGB1 und MCSF1R waren am stärksten von Matrixeffekten in Serum und Plasma
betroffen. Die Konzentrationen von HMGB1 im Serum waren signifikant höher als in
Plasma, und zwar um das bis zu 12-fache, während die Konzentration von MCSF1R in
Plasma um etwa 20% höher war als in Serum. Ein Anstieg von bis zu 200% wurde
für HMGB1 in Serum innerhalb der ersten 60 min zwischen Probenentnahme und
Zentrifugation beobachtet, während andere Biomarkerkonzentrationen entweder keine
signifikante Veränderung über diese Zeitspanne hinweg zeigten oder innerhalb von
10% Varianz blieben. IA-LC-MS/MS stellt eine leistungsfähige Methode zur Unter-
suchung der Proteinsequenz von MCSF1R in Rattenplasma dar, mithilfe derer ex-
perimentelle Beweise für die Proteinsequenz mit der Uniprot-ID D4ACA7 gesammelt
wurden, die als nicht geprüft gilt, als im Vergleich zur Proteinsequenz mit der Uniprot-
ID Q00495. Bei den ursprünglich zur Untersuchung herangezogenen Peptiden K18
und ccK18 gab es allerdings chromatografische und stabilitätsbedingte Herausforderun-
gen zur Messung, weshalb ELISA-Kits zum Auslesen von Matrix- und Probenbear-
beitungseffekten für K18 und ccK18 verwendet wurden. Der IA-LC-MS/MS-Ansatz
war für die Quantifizierung von OPN aufgrund der Serum- /Plasmakorrelation der
Ergebnisse besser geeignet als der Sandwich-Immunassay-Ansatz. K18 und eines der
untersuchten HMGB1-Peptide erwiesen sich als anfällig für eine tryptische Nebenreak-
tion, die wahrscheinlich durch die autolytische Produktion von Pseudotrypsin, welches
eine chymotryptischer Aktivität aufweist, hervorgerufen wird. Die Zugabe von PMSF
vor der Proteolyse konnte die entsprechenden Peptide für K18 und HMGB1 wieder-
herstellen und im Falle von K18 sogar messbar machen. Die Analyse der präklinis-
chen Studien mit den untersuchten Arzneimitteln und Reagenzien bestätigte GLDH
als potenziellen Marker für den akuten Leberzelltod. Außerdem zeigte sich, dass die
Konzentration von OPN sich analog zur Konzentration von GLDH verhält, mit Aus-
nahme während der Behandlung mit CCl4. Hierbei erhöhte sich die Konzentration
von GLDH mit verlängerter Behandlungszeit immer weiter, während der OPN-Gehalt
gleich hoch blieb. Da in diesem Tiermodell eine erhöhte Konzentration von OPN bei
medikamentöser Behandlung beobachtet wurde, könnte OPN als translationaler Im-
munreaktionsmarker für DILI dienen. HMGB1 stellt eher einen Biomarker für Leberfi-
brose als für akutes Leberversagen dar, da die Behandlung mit APAP und DAPM einen
gleichbleibenden HMGB1-Gehalt ergab, während Thioacetamid und CCl4 als bekannte
Fibrose-induzierende Mittel zu erhöhter HMGB1-Konzentration in Plasma behandelter
Ratten führten. In Übereinstimmung mit früheren RNA-Expressionsergebnissen wurde
GLDH vorwiegend in der Leber, gefolgt von Nieren- und Hirngewebe, nachgewiesen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Arbeit zu einem besseren Verständnis der
Verwendung von Trypsin in der IA-LC-MS/MS-Methodik und der Auswirkungen von
Matrix und Probebearbeitung auf die potenziellen Biomarker für DILI beiträgt. Vor
allem aber wird der Wert von GLDH und OPN als potenzielle Biomarker für DILI in
Ratten als Tiermodell durch die hier erzielten Ergebnisse unterstützt, während HMGB1
als Marker für akute Leberschäden in Frage gestellt wird.