Inhaltszusammenfassung:
Depressive Störungen gehören zu den häufigsten psychiatrischen Krankheitsbildern in der Adoleszenz. Einen zentralen Bestandteil depressiver Störungen stellen Einschränkungen in der sozialen Interaktion und sozialen Funktion der Betroffenen dar. Die mit Depressionen assoziierten psychosozialen Einschränkungen werden unter anderem mit defizitären sozialen Kognitionen in Verbindung gebracht. Eine für die soziale Interaktion elementare soziale Kognition ist die Theory of Mind, also die Fähigkeit, sich selbst und Anderen mentale Zustände, wie Intentionen, Wünsche, Ansichten und Überzeugungen zuzuschreiben und anhand dieser das Verhalten Anderer einordnen und vorhersagen zu können. Die grundlegende Entwicklung der Theory of Mind findet in der frühen Kindheit statt.
Grundlage der vorliegenden Arbeit ist das Theory of Mind-Modell der Depression von Stefan Lüttke, nach dem eingeschränkte Theory of Mind-Fähigkeiten einen Risikofaktor für die Entstehung depressiver Störungen im Jugendalter darstellen. Im Rahmen dieser Studie wurden 72 Jugendliche mit einer klinisch diagnostizierten depressiven Störung nach DSM-5 und 44 gesunde Jugendliche im Alter von 11;01 bis 17;10 Jahren auf ihre Theory of Mind-Leistungen hin untersucht.
Zur Erfassung der kognitiven Theory of Mind wurden der Theory of Mind-Test von Brüne und der Werden-Elikann-Test, sowie zur Erfassung der affektiven Theory of Mind die Facial Scale der Cambridge Mindreading Face-Voice Battery von Golan et al. angewandt.
Die zu untersuchenden Hypothesen waren, dass depressive Jugendliche im Gegensatz zu gesunden Jugendlichen signifikant niedrigere Werte in den Theory of Mind-Tests erreichen und diese Werte negativ mit der auf der Center for Epidemiological Studies Depression Scale for Children gemessenen Schwere depressiver Symptome korrelieren. Als Kontrollvariable wurde die aktuelle Tagesstimmung der Probandinnen und Probanden mit der Children Shortform des Positive and Negative Affective Schedule erfasst. Zur Testung des Modells wurde eine binär logistische Regression durchgeführt. Dabei wurde angenommen, dass die erreichten Werte in den Theory of Mind-Tests Prädiktoren für die Zugehörigkeit zur klinischen oder gesunden Gruppe sind.
Es konnten im Rahmen der vorliegenden Arbeit bei Jugendlichen mit depressiven Störungen keine eingeschränkten Theory of Mind-Fähigkeiten als Hinweis auf eine berechtigte Annahme des Theory of Mind-Modells der Depression festgestellt werden.