Dissertation ist gesperrt bis 23.02.2023
Textaufgaben zählen zu den schwierigsten Herausforderungen des mathematischen Lernens. Die Schwierigkeit einer Textaufgabe ergibt sich durch die Eigenschaften der Aufgabe an sich (z.B. linguistische und arithmetische Eigenschaften), die Eigenschaften der lösenden Person (z.B. Lese-, Rechenfähigkeit und Intelligenz) und die Umwelt (z.B. Unterrichtsqualität). Jedoch ist der Einfluss von Aufgaben-, individuellen Eigenschaften und Umweltfaktoren auf den Problemlöseprozess noch nicht vollständig geklärt. Keines der existierenden Modelle zur Lösung von Textaufgaben liefert eine klare Antwort auf die Frage, warum einfache linguistische oder numerische Modifikationen, die die zugrundeliegende mathematische Struktur des Problems nicht verändern, den Lösungsprozess beeinflussen. Außerdem wurde die Rolle von linguistischen und arithmetischen Aufgabeneigenschaften, die die Schwierigkeit einer Textaufgabe bestimmen, noch nicht systematisch untersucht. Zuletzt widersprechen sich existierende Modelle auf theoretischer Ebene darin, ob die erste Lesephase und die Rechenphase von anderen Problemlöseprozessen getrennt sind oder ob sie sich überschneiden. Daher war das Ziel dieser Dissertation herauszufinden, wie verschiedene Aufgaben-, individuelle Eigenschaften und Umweltfaktoren mit dem Problemlöseprozess bei Kindern und Erwachsenen zusammenhängen, und ein theoretisches Prozessmodell zu entwickeln.
Diese Dissertation unterscheidet zwischen (1) unrelatierten linguistischen und arithmetischen Faktoren, die konzeptionell voneinander unabhängig sind und (2) relatierten Faktoren, die konzeptionell voneinander abhängig sind. Für das bessere Verständnis der Prozesse, die beim Lösen von Textaufgaben involviert sind, wurden Augenbewegungsdaten genutzt, um herauszufinden, ob die linguistischen Eigenschaften einer Aufgabe die arithmetischen Faktoren beeinflussen oder umgekehrt. Die Ergebnisse dieser Dissertation zeigen, dass Aufgabeneigenschaften die Leistung bei Textaufgaben sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen direkt beeinflussen und dass linguistische und arithmetische Faktoren interagieren, was besagt, dass Textverständnis und Rechnen nicht notwendigerweise sequentielle unabhängige Prozesse sind, sondern teilweise auf den gleichen Prozessen beim Lösen von Textaufgaben beruhen. Allerdings scheinen sich die Phasen des Problemlösens bei Kindern mehr zu überschneiden als bei Erwachsenen, da bei Erwachsenen nur relatierte Faktoren, bei Kindern hingegen relatierte und unrelatierte Faktoren interagierten. Schließlich beeinflussten individuelle Fähigkeiten und Umweltfaktoren zusätzlich zu den Aufgabeneigenschaften die Leistung. Genauer gesagt zeigten Kinder mit höherer fluider Intelligenz, mit besseren Lese- und Rechenfähigkeiten und Kinder aus von kognitiver Aktivierung und unterstützendem Umfeld geprägten Klassen bessere Leistung bei Textaufgaben. Am Ende wurden alle die Aufgabe, das Individuum und die Umwelt betreffenden Faktoren in ein theoretisches Prozessmodell integriert.