Inhaltszusammenfassung:
Die Gentherapie wird als mögliche Therapieoption lebensverkürzender Erkrankungen (wie
z.B. Cystische Fibrose (CF) oder β-Thalassämie) erwogen, welche bisher als unheilbar gelten.
In den letzten 30 Jahren hat sich die Meinung über Gentherapie in der wissenschaftlichen
Gemeinschaft stark gewandelt, vom zeitweiligen Stopp aller gentherapie-basierten klinischen
Studien durch die US Food and Drug Administration (FDA) bis hin zu 9 erfolgreichen klinischen
Studien in den letzten 5 Jahren. Ähnliches kann auch zum Thema RNA beobachtet werden:
nach ihrer Entdeckung im Jahre 1961 galt RNA lange Zeit als zu instabil und zu immunogen
für therapeutische Anwendungen. In der Tat kann RNA Immunreaktionen durch die
Aktivierung sog. Pattern Recognition Rezeptoren (PRRs) wie Toll-like Rezeptoren (TLR3, TLR7
und TLR8) oder Protein Kinase R (PKR) hervorrufen. Hierzu wurden in letzten Jahren etwa 150
posttranskriptionelle chemische Modifikationen der 4 Basen der RNA beschrieben, die für
eine höhere Variabilität und Einsatzfähigkeit von RNA sorgen. Diese Modifikationen
beeinflussen sowohl die Interaktionen innerhalb der RNA (erhöhte Stabilität oder Flexibilität)
als auch Interaktionen mit anderen Molekülen, wie z.B. PRRs (geringere Immunogenität). Auf
Grund dieser Weiterentwicklungen konnte im Jahr 2016 die erste mRNA-basierte klinische
Studie durchgeführt werden.
Die Untersuchungen im Rahmen meiner Doktorarbeit geben einen Überblick über die
Möglichkeiten wie mRNA für Gensupplementtherapien und Genkorrektur eingesetzt und zu
diesem Zweck angepasst (mittels chemischer Modifikation und Sequenzoptimierung) werden
kann. Als Beispiel für Gensupplementtherapie wurde ein mRNA Transkript des Cystic Fibrosis
Transmembrane Regulator (CFTR) Gens mithilfe von in vitro Transkription erstellt. Zusätzlich
wurden Transkripte unter Verwendung von 2-Thiouridin (s2U), 5-Methylcytidin (m5C) und N1-
Methylpseudouridin (m1Ψ) chemisch modifiziert. Chemisch modifizierte hCFTR mRNA
(cmRNAhCFTR) zeigte eine signifikant höhere CFTR Expression und Funktionalität in CF
Bronchialepithelzellen (CFBE41o-) im Vergleich zu unmodifizierter mRNA (mRNAhCFTR) und
Plasmid-DNA (pDNAhCFTR). Im in vivo Cftr-/- Mausmodell konnte cmRNAhCFTR in Verbindung mit
Chitosan-beschichteten poly-D, L-lactide-co-glycolide 75:25 (Resomer RG 752H) (PLGA)
Nanopartikeln (NPs) eine drastische Verbesserung der Lungenfunktion erzielen. Die
Einsekundenkapazität (FEV, bei Mäusen 0,1s, einer der wichtigsten
Lungenfunktionsparameter zur Verlaufskontrolle bei CF Patienten) konnte im Vergleich zu
mRNAhCFTR und pDNAhCFTR durch cmRNAhCFTR deutlich gesteigert werden. Dabei spielte der
Administrationsweg (intravenös (i.v.) oder intratracheal (i.t.)) keine Rolle. Wie erwartet konnte
9
außerdem eine Verminderung der Immunantwort bei cmRNAhCFTR in in vivo und ex vivo
Experimenten beobachtet werden.
In einer zweiten Studie wurden mRNA Transkripte vom Clustered Regularly Interspaced
Palindromic Repeats (CRISPR) associated Protein 9 (Cas9) untersucht. CRISPR/Cas9 wurde
hierbei zur Genkorrektur der Spleißvariante HBBIVS1-110 des β-Globin Gens, welche zur β-
Thalassämie führt, genutzt. Im Vergleich zu anderen sequenzspezifischen Endonukleasen,
Zink-Finger-Nukleasen (ZFN) und Transcription activator-like effector nucleases (TALENs),
konnte eine höhere Aktivität bei Cas9 gemessen werden. Auch wenn Cas9 in Form von
Plasmid-DNA noch keinen ausreichenden Prozentsatz an DNA-Doppelstrangbrüchen
induzieren konnte, um Genkorrektur durch homologe Rekombination zu ermöglichen, konnte
eine Reparatur des Gendefekts mithilfe von cmRNACas9 in K562 Zellen (immortalisierte
myeloische Leukämie Zelllinie) und CD34+ hämatopoetischen Stammzellen (HSCs)
nachgewiesen werden.
Der Einfluss von Modifikationen auf die Effizienz von Cas9 mRNA wurde in einer weiteren
Studie tiefergehend beleuchtet. Unter Zuhilfenahme der Degeneration des genetischen
Codes wurde eine Sequenzoptimierung und insbesondere eine Verminderung des
Uridingehaltes innerhalb des Cas9 mRNA Transkriptes vorgenommen ohne dabei die
Aminosäuresequenz des Proteins zu ändern. Die Sequenzoptimierung der Cas9 mRNA
konnte die Induktion von DNA-Doppelstrangbrüchen im HBB Gen in CD34+ HSCs im
Vergleich zur nicht-sequenzoptimierten Form weiter steigern. Außerdem konnte auch die
Immunogenität der mRNA durch Sequenzoptimierung verringert und durch Verwendung von
5-Methoxyuridin (5moU) noch weiter minimiert werden.
Die Ergebnisse dieser Doktorarbeit konnten innerhalb eines Review-Artikels in den
wissenschaftlichen Kontext eingeordnet werden. Darüber hinaus weist dieser Artikel auf
weiter zu beachtenden Faktoren, wie Administrationsformen, Eigenschaften von
Transportmolekülen (NPs) und deren Formulierung hin. Außerdem zeigt der Artikel in diesem
Zusammenhang die Bedeutung von chemischen Modifikationen und Sequenzoptimierung
von mRNA als wichtiger Meilenstein in der Entwicklung von mRNA-basierten Therapien auf.