Inhaltszusammenfassung:
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung stellt eine weit verbreitete psychiatrische Erkrankung dar, die gekennzeichnet ist durch Störungen in der Affektregulation, der Identität und der sozialen Interaktion. Insbesondere der letztgenannte Symptomkreis stellt Menschen mit BPS immer wieder vor groβe tägliche Herausforderungen im Rahmen ihrer Kommunikation, ihrem eigenen Handeln und damit auch der Gestaltung ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen. Diesbezüglich stellen insbesondere das Erkennen, Wahrnehmen und Interpretieren verbaler und nonverbaler Signale in der Kommunikation einen möglichen Problembereich dar, der in dieser Studie näher beleuchtet wurde.
An der Studie nahmen 30 Patientinnen und 28 Kontrollprobandinnen teil. Sie bewerteten in einer Videoanalyse mit positiven, negativen und neutralen verbalen Aussagen gepaart mit nonverbalen Ausdrücken von Freude und Ärger und einem neutralen Ausdruck die selbst eingeschätzte Gemütslage des Gegenübers. Zudem füllten sie den Fragebogen GELOPH<15> aus zur Messung der Gelotophobie. Dies ist ein weiterer wichtiger Anhaltspunkt zur Bewertung des Gegenübers vor allem im Zusammenspiel mit dem eigenen Selbstbild und den daraus resultierenden Emotionen. Weitere psychometrische Daten wurden erhoben, um sowohl die Symptomschwere der BPS einzuschätzen, als auch die subjektiv eingeschätzte emotionale Intelligenz der Patientinnen zu messen und an Hand des NEO-FFI die prägnanten Unterschiede der Persönlichkeitsmerkmale herauszustellen.
Die erhobenen Daten wurden nach Bewertung des emotionalen Zustandes des Sprechers und der Reaktionszeit mittels mehrfaktorieller Varianzanalyse und t-Tests analysiert. Des Weiteren wurde eine Regressions-Analyse durchgeführt, um den relativen Einfluss der verbalen und nonverbalen Information auf die Bewertung des emotionalen Zustandes des Sprechers zu errechnen, die Regressions-Koeffizienten wurden dann mittels Mann-Whitney-U-Test zwischen den Gruppen verglichen. Diese Werte wurden in einem weiteren Schritt verwendet, um den individuellen nonverbalen Dominanzindex zu berechnen, der die stärkere Berücksichtigung der nonverbalen Information quantifiziert. Die Werte des Fragebogens GELOPH<15> wurden für jede Testperson gemittelt und die Werte wurden an Hand der definierten «cut-off»-Werte eingeteilt.
Es konnte gezeigt werden, dass BPS-Patientinnen eine Tendenz haben, den aktuellen emotionalen Zustand des Sprechers bei simultaner Präsentation verbaler und nonverbaler emotionaler Kommunikationssignale negativer zu bewerten. Bezüglich einer Differenzierung des Einflusses der verbalen und nonverbalen Informationen zeigte sich dieser Effekt insbesondere bei den positiven und neutralen verbalen Informationen. Bezüglich der Dominanz der nonverbalen Information ergab sich sogar ein signifikant höherer Wert für die Patientengruppe, also eine höhere Sensitivität für nonverbale Informationen. Die Antwortlatenzen zeigten sich in der Patientengruppe länger als bei den Kontrollen, jedoch ohne Unterschied bezüglich der Kongruenz der verbalen und nonverbalen Signale. Hinsichtlich der Gelotophobie konnten signifikant erhöhte Werte bei der BPS-Patientengruppe ermittelt werden, die sich auch deutlich höher zeigen als bei Patienten mit anderen psychiatrischen Erkrankungen.
Diese Ergebnisse liefern bedeutende Hinweise auf die Verarbeitung von Kommunikationssignalen aus dem täglichen Leben bei BPS-Patienten und können genutzt werden, um in weiteren Studien an verbesserten und vor allem individualisierten Therapiestrategien zu arbeiten. Zudem zeigen sie auch wichtige Anhaltspunkte für den klinischen Alltag mit den Patienten und können Erklärungsmodell für vielfach miterlebte Missinterpretationen und folgende Konflikte im Kontakt mit BPS-Patienten sein.