Inhaltszusammenfassung:
Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine Querschnitterhebung des Patientengutes der pädiatrischen Diabetes-Ambulanz des Universitätsklinikums Tübingen. Es wurde eine repräsentative Stichprobe von 116 Patientinnen und Patienten im Alter von 8 bis 23 Jahren untersucht (mittleres Alter: 15,5 Jahre, SD 3,8 Jahre). Neben der Stoffwechsellage stellte die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Betroffenen eine Kernzielgröße dar. Sie wurde durch das Diabetes Modul des PedsQLTM Selbstauskunfts- und Elternfragebogen (PedsQL-PxTM), sowie bei volljährigen Erkrankten dem „Problem Areas In Diabetes“-Fragebogen (PAID) erhoben. Außerdem wurde die Belastung der Eltern, die durch die Erkrankung ihrer Kinder entsteht, mittels der „Parent Revised“ Version des PAID-Fragebogens (PAID-PR) gemessen. Sekundäre Endpunkte waren demographische Informationen und Kennwerte des Therapieverhaltens. Es wurde untersucht, ob die Lebensqualität bei Unterteilung der Stichprobe anhand möglicher Einflussfaktoren (Alter, körperliche Entwicklung, Familienstruktur, Bildungsgrad der Eltern, HbA1C-Wert, Verantwortungsverteilung für die Diabetesversorgung, Terminadhärenz und diabetesbedingter Zeitaufwand) Unterschiede aufweist.
Die hier untersuchte Stichprobe zeigte eine gute Diabeteseinstellung und Therapieadhärenz. Der durchschnittliche HbA1C-Wert von 7,39 % (SD 4,2 %) liegt innerhalb des Zielbereichs der S3-Versorgungsleitlinien für Diabetes bei Kindern und Jugendlichen. Er ist im nationalen und internationalen Vergleich als überdurchschnittlich niedrig (gut) einzuordnen. Mehr als die Hälfte der Betroffenen (54,3 %) lagen mit dem Langzeitblutzuckerwert im Zielbereich, weitere 41,4 % hatten HbA1C -Werte zwischen 7,5 % und 9 %. Die Blutzuckerselbstmessung erfolgte durchschnittlich 5,8 mal pro Tag (SD 2,7). Knapp ein Drittel der Patientinnen / Patienten nutzten eine Insulinpumpe. Durchschnittlich kam es jährlich zu 6 Kontakten zwischen den Betroffenen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Diabetes-Ambulanz.
Im internationalen Vergleich ist die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patientinnen und Patienten relativ hoch. Die Belastung der Eltern durch den Diabetes der Kinder ist vergleichsweise niedrig. Im PedsQL wurden durchschnittlich 79,6 von maximal 100 möglichen Punkten erreicht (95 % CI: 77,9‑81,3; höhere Punktzahl deutet auf bessere Lebensqualität). Sowohl bei der Patientenselbstauskunft als auch im Elternfragebogen waren die Werte im Vergleich zum internationalen Durchschnitt hoch. Die Belastung der jungen Erwachsenen im PAID-Fragebogen war im europäischen Vergleich überdurchschnittlich niedrig und betrug im Mittel 18,4 Punkte (SD 16,1; höhere Werte deuten auf größere diabetesbezogene Belastungen. Maximal mögliche Punktzahl: 100). Die Belastung der Eltern im PAID-PR Fragebogen war mit 27,2 Punkten (SD 14; höhere Werte deuten auf größere diabetesbezogene Belastungen. Maximal mögliche Punktzahl: 72) auf europäischer Ebene ebenfalls vergleichsweise niedrig.
Bei der Auswertung der möglichen Einflussfaktoren ergaben sich Hinweise darauf, dass Betroffene von einer Unterstützung der Eltern profitieren. Die Lebensqualität scheint mit zunehmendem Alter und zunehmender körperlicher Reife zu sinken. Eine Beteiligung der Eltern und die vollständige Übernahme der Diabetesversorgung durch die Eltern scheint die Lebensqualität der Erkrankten zu steigern. Tendenziell sind bessere Langzeitblutzuckerwerte mit höherer Lebensqualität assoziiert. Betroffene, die beinahe alle oder alle vereinbarten Termine einhielten, hatten eine höhere Lebensqualität als solche, die vermehrt Termine verschoben, absagten oder nicht wahrnahmen. Der akademische Hintergrund der Eltern und die Familienstruktur machten in der hier vorgenommenen Einteilung keine Unterschiede der Lebensqualität aus.
Die Belastung der Eltern postpubertärer Kinder (Tannerstadium V) war niedriger als die der Eltern von Betroffenen in niedrigeren Stadien körperlicher Reife. Ebenso waren Eltern weniger belastet, wenn der zeitliche Mehraufwand höchstens 30 Minuten pro Tag betrug.
Körperliche Entwicklungsstufen erlauben möglicher Weise eine akkuratere psychosoziale Einordnung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen als die Einteilung in Altersgruppen.