Inhaltszusammenfassung:
mRNA-Lokalisierung ist ein essenzieller Mechanismus der räumlich und zeitlich regulierten Genexpression. Dieser Mechanismus ermöglicht der Zelle die Kontrolle und Überwachung der unterschiedlichen Phasen des mRNA-Lebenszyklus durch die dynamische Zusammenstellung von Ribonucleoprotein-Partikeln. Diese Partikel beinhalten Netzwerke von Komplexen aus mRNA- Molekülen und mRNA-bindenden Proteine. Die mRNA-Moleküle sind gekennzeichnet durch cis-wirkende Elemente, welche von trans-agierenden Faktoren, sogenannten mRNA-bindenden Proteinen, erkannt werden. Die mRNA-bindenden Proteine beeinflussen somit jede Phase des mRNA-Lebenszyklus, indem sie direkt oder indirekt mit der RNA interagieren.
Eines der am besten charakterisierten trans-agierenden Faktoren bei der mRNA Lokalisierung ist Staufen, ein konserviertes doppelsträngige-RNA-bindendes Protein (dsRBP). Staufen wurde als ein wichtiger Faktor bei der lokalen Translation von maternalen mRNAs in der Taufliege Drosophila melanogaster identifiziert. In Säugetieren, existieren zwei Homologe, Staufen1 und Staufen2. Beide Homologe werden benötigt, um den Transport und die lokale Translation von spezifischen Transkripten in verschiedenen Zelltypen zu regulieren. Neben ihrer Rolle in der Lokalisierung wirken sich Staufen1 und Staufen2 auf die mRNA-Stabilität aus. Mehrere spezifische Transkripte von Staufen wurden bereits identifiziert. Die am besten charakterisierten Transkripte sind die bicoid mRNA (bcd) in Drosophila melanogaster und die ADP-Ribosylierungsfaktor 1 mRNA (ARF1) in Menschen.
Staufen ist ein Multidomänenprotein und besteht aus vier bis fünf doppelsträngige-RNA binden- den Domänen (dsRBD). Davon gehören dsRBD1, dsRBD3 und dsRBD4 zu den kanonischen dsRBDs, die dsRNA in vitro binden können, im Unterschied dazu stehen dsRBD2 und dsRBD5, welche verkürzt sind. Interessanterweise konnte für dsRBD2, im Gegensatz zu dsRBD5, eine RNA- bindende Aktivität nachgewiesen werden. dsRBD5 beteiligt sich an Protein-Protein-Interaktionen und im Fall von Staufen1 und Staufen2 an der Dimerisierung der Proteine. Die Tatsache, dass die kanonischen dsRBD bestimmte Sekundärstrukturen erkennen, aber keine spezifische Sequenzen diskriminieren können, steht im Kontrast zur nachgewiesenen Spezifität von Staufen. Strukturelle Informationen aus dem Komplex von Drosophila melanogaster dsRBD3 mit einer künstlichen RNA-Haarnadelstruktur ermöglichen einen Einblick in die zugrunde liegenden molekularen Mecha-nismen der Interaktion. Allerdings beschränkt sich diese Information auf eine einzige dsRBD und eine unphysiologische RNA.
In der vorliegenden Doktorarbeit, wurde die Struktur des Komplexes aus hStaufen1 dsRBD3 und dsRBD4 mit der physiologischen dsRNA Sequenz der ARF1 Staufen Bindungstelle bestimmt. In der Struktur binden die zwei Domäne das RNA-Duplex ein. Durch die Interaktion konnte keine signifikante Veränderung in der Struktur des RNA-Duplex festgestellt werden. In der Struktur ist deutlich zu erkennen, dass Interaktionen der dsRBDs mit dem Zucker-Phosphat-Rückgrat der RNA überwiegen. Zudem weisen beide Domänen, vor allem über konservierte Proteinreste im Staufen, direkte Interaktionen mit den Basen in beiden kleine Furchen der dsRNA auf. Analysen der Affinität in vitro haben gezeigt, dass Mutationen der Proteinreste, die an indirekten Interaktionen beteiligt sind, erhebliche negative Effekte auf die Affinität hatten, während Mutationen der Proteinreste, die an direkten Interaktionen beteiligt sind, nur marginale Effekte aufwiesen. In vivo Experimente an Drosophila melanogaster haben jedoch gezeigt, dass die an direkten Interaktionen beteiligte Proteinreste einen wesentlichen Beitrag leisten, um eine vollkommene Bindung mit der RNA zu erreichen. Die hier präsentierten biochemischen und strukturellen Daten legen nahe, dass die Affinität und Spezifität der dsRNA-Erkennung von Staufen auf das Zusammenspiel seiner kanonischen dsRBDs basieren.