Inhaltszusammenfassung:
Theorie: Trauma und Depression stellen in der psychotherapeutischen wie auch der psychiatrischen Arbeit sehr wichtige Themen dar, die eine große Zahl an Menschen in ihrem alltäglichen Leben stark beeinträchtigen. Die vorliegende Arbeit geht davon aus, dass Traumatisierung vielfältige Folgen in Bezug auf die psychische Innenwelt, Beziehungsgestaltung und Symptombildung hat und dass insbesondere Traumata während der kindlichen Entwicklung gravierende Folgen nach sich ziehen. Früheren Forschungsbefunden entsprechend wird ein Zusammenhang mit Depression angenommen. Zu Depression als spezifischer Traumafolge könnten insbesondere psychische Vernachlässigung und Misshandlung prädisponieren. PatientInnen mit Depressionssymptomen und Traumatisierung in der Kindheit könnten längerer und intensiverer Psychotherapie bedürfen. Die Depressions- wie auch die Traumatisierungsraten sind bei Frauen seit vielen Jahren deutlich höher als bei Männern. Bisherige Forschungsbefunde haben zu einem inhaltlichen Zusammenhang dieser Befunde uneinheitliche Ergebnisse erbracht, immer wieder wird häufigere Traumatisierung als eine mögliche Ursache der höheren Depressionsbelastung bei Frauen diskutiert.
Methode: Es wurden Daten aus zwei multizentrischen, klinischen Depressions-Studien, der INDDEP-Studie (stationäre und teilstationäre psychosomatische Therapie, N=604) und der LAC-Studie (ambulante verhaltenstherapeutische und psychoanalytische Therapie bei chronischer Depression, N=402) statistisch ausgewertet, um Zusammenhänge zwischen Kindheitstraumata und Depression zu untersuchen.
Ergebnisse: Die PatientInnen der LAC-Studie hatten im Mittel mehr Traumatisierungsformen erlebt als die der INDDEP-Studie. In der INDDEP-Studie zeigte sich ein Haupteffekt der Traumatisierung auf die Krankheitsschwere, ein solcher Zusammenhang war in der Tendenz auch für die LAC-Studie sichtbar. Ein Regressionsmodell verschiedener Traumatisierungsformen sagte die Depressionsschwere bei insgesamt sehr geringer Varianzaufklärung signifikant voraus, wobei die Skala “Emotionale Vernachlässigung” den größten Einfluss hatte. Bezüglich des Therapieverlaufs in der INDDEP-Studie zeigte sich eine signifikante Symptomreduktion zwischen Aufnahme- und Entlassungszeitpunkt und auch in der Katamnese, jedoch kein Unterschied zwischen PatientInnen mit und ohne Traumatisierung. In der INDDEP-Studie bestand ein signifikanter, aber kleiner Zusammenhang zwischen Strukturniveau und Traumatisierung, der in der LAC-Studie nicht sichtbar wurde. Obwohl Frauen signifikant mehr Traumatisierungserfahrungen hatten, bestand kein Geschlechterunterschied bezüglich der Depressionsschwere.
Diskussion: Die Ergebnisse bestätigen insgesamt bisherige Befunde, die für einen Zusammenhang zwischen Traumatisierung in der Kindheit und Depression sprechen. In der vorliegenden Stichprobe bestand möglicherweise durch die geringe Varianz kein klinisch relevanter Unterschied je nach Traumatisierungsform. Bei insgesamt langen Behandlungsdauern bestand auch kein Trauma-abhängiger Unterschied im Ansprechen auf die Therapie, die aber insgesamt eine gute und langfristige Wirkung zeigte. Bei vergleichbarer Symptomschwere beider Geschlechter war durch die Stichprobe keine weitere Analyse möglich, hier könnte eine naturalistische Studie weitere Ergebnisse bringen.