Inhaltszusammenfassung:
Die Autismus-Spektrum-Störung (ASS) ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung
nach DSM-5 und ICD-10, die sich durch Beeinträchtigungen der sozialen
Interaktionen und der Kommunikation sowie durch begrenzte, repetitive und
stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten auszeichnet. Fähigkeiten
von denen man vermutet, dass sie bei Kindern mit ASS beeinträchtigt vorliegen,
sind die Empathiefähigkeit und das Verhaltensmonitoring. Beide stehen im Fokus der dieser Dissertation zugrunde liegenden Studie, wobei in dieser
Arbeit auf das Verhaltensmonitoring eingegangen wurde.
Mit Hilfe eines Flanker Tasks, den Kinder einer Kontrollgruppe und Kinder mit
ASS durchführten, wurden mittels Elektroenzephalogramm(EEG)-Messungen
ereigniskorrelierte Potenziale (ERP) abgeleitet. Es wurde dabei die Amplitude
der Error-Related Negativity/Error-negativity (ERN/Ne) und der Error Positivity
(Pe) nach Fehlern und nach korrekten Antworten gemessen und zwischen den
beiden Probandengruppen verglichen. Die ERN/Ne diente dabei als Marker des
unbewussten Verhaltensmonitorings und die Pe für das bewusste Verhaltensmonitoring.
Zudem mussten die Kinder und ihre Eltern im Vorfeld der Studie
verschiedene Fragebögen ausfüllen, um mögliche psychiatrische Komorbiditäten
abzuklären. Lagen bei Kindern der Kontrollgruppe solche vor, so galt dies
als Ausschlusskriterium. Bei den Kindern mit ASS wurden am Untersuchungstag
des Weiteren Fragebögen, die der ASS-Diagnostik dienen, durchgeführt.
Mit den Kindern selbst wurde die Autism Diagnostic Observation Schedule
(ADOS) gemacht und mit den Eltern wurde der Fragebogen Autism Diagnostic
Interview – Revised (ADI-R) durchgegangen. Zuletzt wurde noch das Elterninterview
KIDDIE-Schedule for Affective Disorders and Schizophrenia- Present
and Lifetime (KIDDIE-SADS-PL) durchgeführt, um näher auf psychiatrische
Komorbiditäten bei den Kindern mit ASS einzugehen.
Bei der Auswertung der Ergebnisse zeigte sich ein trendhaft signifikanter Unterschied
des Differenzmaßes der Amplitude der ERN/Ne nach Fehlern an der
Elektrodenposition FCz und ein signifikanter Unterschied der Pe-Amplitude
nach korrekten Antworten an der Elektrodenposition Cz. Es konnte zudem eine
signifikant höhere Amplitude der ERN/Ne nach Fehlern an der Elektrodenposition
FCz im Vergleich zu Cz bei den Kindern der Kontrollgruppe nachgewiesen
werden, was bei den Kindern mit ASS nicht der Fall war. Für die Komorbiditäten
Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und Ticstörung zeigte
sich bei den Kindern mit ASS, dass sie einen Einfluss auf die Amplitude der
ERN/Ne hatten. Für die Diagnosen Depression, Zwangsstörung und Störungen
des Sozialverhaltens ließ sich eine signifikant höhere Amplitude der Pe nach
korrekten Antworten an Cz bei den Kindern mit ASS, die Auffälligkeiten im Bezug auf diese Diagnosen aufwiesen, nachweisen im Vergleich zu Kindern ohne
diese Komorbiditäten. Im Bezug auf den Einfluss der Ausprägung der ASS auf
die Amplituden der ERPs, ließ sich nur ein Effekt auf die Pe finden. Diese war
positiver je ausgeprägter die ASS war. Abschließend zeigte sich eine signifikant
positive Korrelation zwischen der Amplitude der ERN/Ne und der Pe nach korrekten
Antworten sowohl an der Elektrodenposition FCz als auch an Cz.
Ein Interpretationsansatz für die gefundenen Ergebnisse ist ein geringer Anstieg
des Verhaltensmonitorings nach Fehlern bei Kindern mit ASS im Vergleich
zu den Kindern der Kontrollgruppe, was eine Erklärung für das signifikant unterschiedliche
Differenzmaß sein könnte. Sollte dies der Fall sein, so könnte
man von einer geringeren Aktivität des dorsalen Anteils des anterioren cingulären
Cortexes (ACC), in dem die ERN/Ne entsteht, ausgehen. Damit verbunden
wäre ein weniger ausgeprägtes Verhaltensmonitoring bei Kindern mit ASS
denkbar. Die signifikant positivere Amplitude der Pe nach korrekten Antworten
an Cz bei den Kindern mit ASS deutet darauf hin, dass der rostrale Anteil des
ACC, in dem die Pe entsteht, aktiver ist. Dieses stark ausgeprägte Verhaltensmonitoring
nach korrekten Antworten lässt sich als unökonomisch qualifizieren,
denn eine Anpassung des Verhaltens scheint nach Fehlern angebrachter zu
sein, um diese in Zukunft zu vermeiden. Weitergehend könnte man eine Wechselwirkung
des rostralen und dorsalen Anteils des ACC vermuten. Diese Annahme
wird durch die gefundene signifikant positive Korrelation zwischen der
Amplitude der ERN/Ne und der Pe unterstützt. Daraus würde folgen, dass ein
geringes unbewusstes Verhaltensmonitoring durch ein stärkeres bewusstes
Verhaltensmonitoring kompensiert werden könnte.
Abschließend lässt sich im Bezug auf die anfänglich aufgestellten Hypothesen
für die Kinder mit ASS sagen, dass die vermutete signifikant geringer ausgeprägte
Amplitude der ERN/Ne und Pe nicht nachgewiesen werden konnte. Im
Gegenteil: Bezüglich der Pe zeigte sich eine signifikant positivere Amplitude.
Was die Hypothese, dass je ausgeprägter die ASS ist, desto geringer die Amplituden
der ERPs, angeht, so zeigte sich, dass die Ausprägung der ASS in dieser
Studie keinen Einfluss auf die ERN/Ne hatte. Für die Amplitude der Pe zeigte
sich eine stärkere Positivierung je ausgeprägter die ASS und nicht wie vermutet
eine Verringerung der Amplitude. Die Annahme, dass die Komorbiditäten ADHS
und Ticstörung die Amplituden der ERPs beeinflussen, ließ sich durch die gefundenen
Ergebnisse bestätigen.
Zusammenfassend zeigt sich also in dieser Arbeit, dass sich das Verhaltensmonitoring
bei Kindern mit ASS von dem bei Kindern einer Kontrollgruppe unterscheidet.