Inhaltszusammenfassung:
Die Relevanz des Schlafs für das menschliche Gedächtnis wurde in zahlreichen Studien untersucht, die zeigten, dass Schlaf eine förderliche Wirkung auf die Gedächtnisbildung und die anschließende Gedächtniskonsolidierung hat. Unter den während des Schlafs auftretenden Gehirnoszillationen spielen dabei vor allem die langsamen Oszillationen im Tiefschlaf eine zentrale Rolle. Die langsamen Oszillationen können durch phasengetaktete auditorische Stimulation intensiviert werden, was in Vorläuferstudien zur Verbesserung der schlafassoziierten Konsolidierung deklarativer Gedächtnisinhalte führte.
Vor diesem Hintergrund wurde in der vorliegenden Arbeit die Auswirkung der auditorischen Stimulation langsamer Oszillationen während des Tiefschlafs auf die Konsolidierung prozeduraler Gedächtnisinhalte während des Schlafs sowie die deklarative und prozedurale Gedächtnisenkodierung nach dem Schlaf bei jungen, gesunden Männern untersucht. Am Abend enkodierten die Probanden eine prozedurale Fingertapping-Aufgabe (d.h. sie trainierten die Eingabe einer fünfstelligen Tastenfolge), die am Morgen nach der Versuchsnacht abgerufen wurde. Darüber hinaus wurde die Leistung bei der morgendlichen Enkodierung einer neuen Sequenz getestet sowie die Enkodierungsleistung in einer deklarativen Aufgabe (d.h. dem Lernen von Wortpaaren) untersucht. Die Intensivierung des Tiefschlafs erfolgte im Sinne forcierter Stimulation durch die Darbietung von 50 ms langen „pink-noise“-Geräuschen aus In-Ohr-Kopfhörern. Dabei wurde die auditorische Stimulation mit den positiven Halbwellen der langsamen Oszillationen synchronisiert, d.h. die Stimuli wurden innerhalb eines Zyklus langsamer Oszillationen präsentiert, sobald der vorgegebene Amplitudengrenzwert von -80 µV überschritten wurde. In der Kontrollbedingung wurden die langsamen Oszillations-Ereignisse ebenfalls in Echtzeit detektiert, jedoch erfolgte keine auditorische Stimulation.
Im Vergleich der Schlafarchitektur ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Bedingungen; allerdings wurden die langsamen Oszillationen durch die auditorische Stimulation in ihrer Dauer und Ausprägung markant verstärkt. Diese Intensivierung der langsamen Oszillationen ging anders als erwartet nicht mit einer Verbesserung der prozeduralen Enkodierungs- oder der prozeduralen bzw. deklarativen Konsolidierungsleistung im Vergleich zur Kontrollbedingung einher. Kontrollmessungen zur Untersuchung der allgemeinen Abrufleistung (Regensburger Wortflüssigkeits-Test), der Schläfrigkeit (Stanford-Schläfrigkeits-Skala), der Vigilanz (Psychomotorischer Vigilanztest) sowie der Befindlichkeit (Mehrdimensionaler Befindlichkeitsfragebogen) ergaben, dass die Stimulation im Vergleich zur Kontrollbedingungen keinen Einfluss auf diese Maße ausübte.
Die in dieser Studie gewonnenen Ergebnisse unterstützen die bisherigen Erkenntnisse, dass die auditorische Tiefschlafstimulation eine unbedenkliche Methode darstellt, um die langsamen Oszillationen im Tiefschlaf zu verstärken. Das Ausbleiben von entsprechenden Verbesserungen in der Enkodierungsfähigkeit nach dem Schlaf sowie in der prozeduralen Gedächtniskonsolidierungsleistung während des Schlafs legt nahe, dass diese Maße nicht unmittelbar von der Intensität der langsamen Oszillationen im Tiefschlaf abhängen oder aber im gesunden Menschen durch eine Steigerung der Intensität nicht relevant gesteigert werden können. Weitere Untersuchungen sollten sich der Frage widmen, inwiefern die Stimulation der langsamen Oszillationen bei Probanden mit gestörtem Schlaf einen förderlichen Einfluss auf diese Prozesse ausüben kann.