Inhaltszusammenfassung:
Die Wahl eines Berufes stellt für Jugendliche eine bedeutsame Entscheidung dar, die weitreichende Konsequenzen für ihr späteres Leben mit sich bringt. Da die Berufswahl jedoch viele Jugendliche auch vor Schwierigkeiten stellt, ist es wichtig, die Jugendlichen in diesem Prozess zu unterstützen. Die motivationalen Überzeugungen Jugendlicher haben sich als einflussreich für ihre späteren Kurs- und Berufswahlentscheidungen erwiesen. Eine Förderung der motivationalen Überzeugungen kann sich demnach auch positiv auf die Berufswahl auswirken. In Interventionen, die die motivationalen Überzeugungen Jugendlicher steigern sollten, wurde konkret die wahrgenommene Nützlichkeit eines Fachs für das spätere Leben und den Beruf angesprochen. Es hat sich gezeigt, dass diese Nützlichkeitsinterventionen die Kurs- und Berufswahlentscheidungen Jugendlicher im jeweiligen Fach fördern konnten. Während einer solchen Intervention werden die Schülerinnen und Schüler üblicherweise dazu angeregt, über den Nutzen des Fachs für ihre Zukunft nachzudenken, indem sie Verbindungen zwischen den Unterrichtsinhalten und möglichen späteren Berufen herstellen. Dabei beschäftigen sie sich mit der Frage nach ihrem künftigen Beruf, was eine ganzheitliche Förderung ihrer Berufsorientierung und letztlich ihrer Berufswahl mit sich bringen könnte. Dies wurde bisher jedoch nicht untersucht. Neben den motivationalen Überzeugungen bezüglich bestimmter Schulfächer sind die beruflichen Interessen der Jugendlichen wichtige Determinanten für ihre Berufswahl. Um die Entwicklung von motivationalen Überzeugungen, wie beispielsweise Interessen, im Hinblick auf Berufswahlen insgesamt besser zu verstehen, wäre es hilfreich, Erkenntnisse über schulische und berufliche Interessen zu verknüpfen. Dies könnte zu einem tieferen Verständnis der Berufswahlprozesse von Jugendlichen beitragen.
Die vorliegende Dissertation beschäftigt sich mit der Frage, wie Jugendliche in ihrer Berufswahl unterstützt werden können. Die drei empirischen Studien, die im Rahmen der Dissertation durchgeführt wurden, beleuchten verschiedene Vorläufer von Berufswahlentscheidungen und untersuchen, inwiefern diese Entscheidungen mithilfe von Nützlichkeitsinterventionen gefördert werden können. In Studie 1 wurden berufliche Interessen und Fachinteressen als zwei Interessenskonstrukte aus unterschiedlichen Forschungstraditionen miteinander verknüpft. Hier wurde die Entwicklung beider Konstrukte im frühen Jugendalter untersucht, wobei der Schwerpunkt auf der strukturellen Ausdifferenzierung der Interessen lag, die üblicherweise für beide Interessenskonstrukte in dieser Lebensphase stattfindet. Die Daten stammten aus einer großen Längsschnittstudie mit 3473 Haupt-, Real- und Mittelschülerinnen und -schülern der 5. bis 8. Jahrgangsstufe. Die strukturelle Entwicklung von beruflichen Interessen und Fachinteressen in Mathematik, Deutsch und Englisch wurde jeweils getrennt betrachtet, bevor die Zusammenhänge zwischen beiden Interessenskonstrukten über die Zeit analysiert wurden. Die Ergebnisse zeigten, dass berufliche Interessen sich mit zunehmendem Alter ausdifferenzierten und größtenteils die zu erwartende Struktur in den höheren Klassen annahmen. Im Gegensatz dazu zeigten sich bei den Fachinteressen kaum Veränderungen über die Zeit. Die Zusammenhänge zwischen den beiden Interessenskonstrukten entsprachen teilweise den Erwartungen.
In Studie 2 wurde eine Nützlichkeitsintervention hinsichtlich ihres Potentials zur Berufswahlunterstützung von Jugendlichen untersucht. Die elternbasierte Intervention hatte zum Ziel, Eltern dabei zu helfen, ihre Kinder bestmöglich in deren Berufsorientierung zu unterstützen. Die Eltern wurden in die Intervention eingebunden, da sie wichtige Unterstützer für ihre Kinder darstellen und einen erheblichen Einfluss auf deren motivationale Überzeugungen und Berufsentscheidungen nehmen können. Die Intervention wurde mithilfe einer Webseite umgesetzt, die Informationen zur Nützlichkeit von Mathematik, Deutsch und Englisch für den zukünftigen Beruf der Jugendlichen enthielt. Zur Überprüfung der Wirksamkeit der Intervention wurde eine cluster-randomisierte Studie mit 357 Realschülerinnen und -schülern der 8. Jahrgangsstufe und deren Eltern durchgeführt. Jeweils vor und nach der Intervention wurden die motivationalen Überzeugungen von Jugendlichen und Eltern bezüglich der drei Fächer, das Berufsorientierungsverhalten der Jugendlichen sowie die Berufswahlunterstützung der Eltern erfasst. Die Eltern berichteten nach der Intervention eine geringere Unterstützung ihrer Kinder bei der Berufswahl und nahmen die Unterstützung als weniger wichtig wahr. Auf weitere Elternvariablen sowie Schülervariablen hatte die Intervention keinen Einfluss.
In Studie 3 wurde eine weitere Nützlichkeitsintervention evaluiert, die sich auf die Relevanz von Mathematik für das spätere Leben und den zukünftigen Beruf von Jugendlichen konzentrierte. Es handelte sich um eine Intervention im Klassenzimmer, die die motivationalen Überzeugungen und die Berufswahlentscheidungen von Schülerinnen und Schülern fördern sollte. In einer cluster-randomisierten Studie mit 78 Klassen der 9. Jahrgangsstufe, an der 1744 Gymnasiastinnen und Gymnasiasten teilnahmen, wurden die Effekte der Intervention auf die motivationalen Überzeugungen in Mathematik und Physik, die beruflichen Interessen, die Berufsorientierung und die Berufsaspirationen der Jugendlichen untersucht. Diese wurden vor und vier Wochen sowie drei Monate nach der Intervention erhoben. Es zeigte sich, dass die Schülerinnen und Schüler nach der Intervention Mathematik und Physik als wichtiger für ihre Berufsaspirationen einschätzten. Zudem berichteten sie ein höheres untersuchend-forschendes Interesse und ein niedrigeres praktisch-technisches sowie unternehmerisches Interesse. Die Intervention hatte keinen Einfluss auf die Berufsorientierung oder die Berufsaspirationen im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich.
Die Ergebnisse der drei empirischen Studien werden zusammengefasst und in den breiteren Forschungsdiskurs eingeordnet. Zudem werden Implikationen für Wissenschaft und Praxis abgeleitet.
Abstract:
Career choices represent important decisions for adolescents that can have a large impact on their later lives. However, many adolescents face difficulties regarding their career choice, which is why it is important to support them with this decision. As students’ motivational beliefs are important predictors for their course and career choices, addressing these beliefs is one way to also foster their choices. Interventions focusing on students’ motivational beliefs, such as their perceived relevance of a subject for their later lives and careers, have been shown to successfully promote students’ course and career choices in the respective field. During such relevance interventions, students are encouraged to connect the course material to their own future careers, thereby reflecting on career-related questions. Thus, relevance interventions might be a promising way to foster students’ career-related choices and behavior more broadly, which, however, has not been investigated yet. Next to students’ motivational beliefs in the school context, their vocational interests are important precursors of their career choices. Bringing together insights on motivational beliefs, such as interests, regarding school subjects and interests regarding vocational activities might add to the knowledge about interest formation and subsequently deepen the understanding of adolescents’ career choices.
This dissertation investigated how adolescents can be supported within their career choices. Three empirical studies were designed to examine several precursors of adolescents’ career choices and to investigate the potential of relevance interventions to support these choices. Study 1 brought together interest constructs from two different research backgrounds, namely vocational interests and subject interests. Their development during early adolescence was examined, with a focus on the structural differentiation both constructs usually undergo during this period. Using data from a large longitudinal sample of low and middle track school students from fifth to eighth grade (N=3473), the structural development of vocational interests and subject interests in math, German, and English was examined separately and their interrelations over time were analyzed. Results revealed that vocational interests became more differentiated over time and showed the postulated structure in large part in higher grades. By contrast, subject interests showed only slight changes over time. The associations between the two interest constructs partly corresponded to the assumed pattern.
In Study 2, a relevance intervention was tested with respect to its potential to support adolescents’ career choices. It was a parent-based intervention with the aim of helping parents to support their children within their career orientation. Parents were involved in the intervention as they have been shown to be important sources of support for their children and can have a large influence on their motivational beliefs and choices. The intervention was operationalized through a website, where parents and students could find information on the relevance of math, German, and English for students’ later careers. In a cluster-randomized study with 357 eighth grade students of middle track schools, their motivational beliefs in the three subjects and their career orientation behavior as well as parents’ motivational beliefs and career support were assessed before and after the intervention. The intervention was found to have a negative effect on parents’ career support for their children as well as on their perceived importance of this support. No effects were found on other parent variables or on student variables.
In Study 3, another relevance intervention was tested, which focused on the usefulness of math for students’ later lives and careers. It was a classroom-based intervention aiming to foster students’ motivational beliefs for math and to support their career choices. The intervention effects were evaluated in a cluster-randomized trial with 78 classes of ninth grade students of academic track schools (N=1744). Students’ motivational beliefs for math and physics, their vocational interests, career orientation and career aspirations were assessed before as well as 4 weeks and 3 months after the intervention. The results suggested that the intervention fostered students’ perceived importance of math and physics for their career aspirations as well as their investigative interests. Negative intervention effects on students’ realistic and enterprising interests were found. The intervention had no effects on students’ career orientation and career aspirations in the field of math and science.
The findings of the three empirical studies are summarized and discussed with respect to the broader research context. Implications for future research and educational policy and practice are derived.