Inhaltszusammenfassung:
In dieser kumulativen Dissertation wird die Isotopensystematik des redox-sensitiven, chalkophilen und moderat volatilen Elements Selen (Se) benutzt, um das Subduktions-Recycling der Chalkogene tiefergehend zu untersuchen. Bis dato ist die Analyse der Se-Isotopenzusammensetzung von geologischen Proben, die Se-Konzentrationen im ng pro g Bereich aufweisen, eine analytische Herausforderung. Dies liegt an der schwierigen chemischen Aufreinigung von Selen aus Probenmatrizen und instrumentellen Herausforderungen bei der massenspektrometrischen Messung. Daher gibt es nur wenige Datensätze für geologische Probenmaterialien, die niedrige Se-Konzentrationen aufweisen, wie etwa Proben aus dem Erdmantel. Für krustale Proben, wie zum Beispiel Sedimente, die einige Größenordnungen höhere Se Konzentrationen aufweisen, gibt es weitaus mehr Daten. Insbesondere Sedimente waren bereits Forschungsgrundlage mehrerer Studien, die sich das redox-sensitive Verhalten von Se zu Nutze machten, um die Mechanismen und den Zeitpunkt der Sauerstoffanreicherung in der Erdatmosphäre zu untersuchen. Im Gengenteil dazu gibt es, wenn überhaupt nur wenige Arbeiten, die die vielseitige Se-Isotopensystematik genutzt haben, um die Verbindung von Erdoberfläche und der Evolution des Erdinneren zu untersuchen. Diese Dissertation soll einen ersten Anteil an der Schließung dieser Wissenslücke leisten, indem potentielles Recycling von Se in Subduktionszonen untersucht wird.
Aufgrund der analytischen Herausforderungen und der Tatsache, dass die Analysegeräte die bei früheren Studien verwendet wurden nicht mehr käuflich zu erwerben sind (z.B.: Micromass IsoProbe – Rouxel et al., 2002, 2004), war es notwendig eine neue Messmethode zu entwickeln. Das erste Kapitel dieser Dissertation beinhaltet detaillierte Beschreibungen und Vorzüge der entwickelten Methode. Für die genaue und präzise Messung von Isotopenzusammensetzungen wird ein NeptunePlus™ Massenspektrometer der Firma ThermoFisher Scientific® verwendet. Der verwendete ‘double spike’ erlaubt die Korrektur möglicher Isotopenfraktionierungen und ein Hydrid-Generator (HG) begünstigt die Probeneinleitung. Die Zufuhr von Methan in das Plasma bedingt eine zwei- bis dreifache Steigerung des Se-Signals bei gleichzeitiger Unterdrückung der Untergrundsignale um einen Faktor zwei. Die Methode ermöglicht nun die systematische Untersuchung von Gesteinsproben mit Se-Konzentrationen im Nanogramm-Bereich.
Das zweite Kapitel stellt die ersten Se-Isotopendaten für Inselbogenvulkanite vom Marianen Inselbogen bereit. Die Se-Isotopensignaturen von submarinen Marianen Laven aus dem back-arc Becken und des Inselbogens sind nicht von Entgasung und anders als die Se-Konzentrationen dieser Gesteine, nicht von magmatischen Differenzierungsprozessen beeinflusst. Daher könnte die Se Isotopenzusammensetzung der submarinen Laven der Isotopensignatur der Mantelquelle entsprechen. Die Se-Isotopensignatur ist wahrscheinlich durch Schmelz- und Fluidkomponenten angereichert worden, die von der subduzierten Pazifischen Platte und aufliegenden Sedimenten stammen. Die Proben zeigen eine Tendenz hin zu leichteren Se Isotopenzusammensetzungen ausgehend von den Proben des back-arc Beckens hin zu den arc-typischen Proben. Dies liegt vermutlich in einem abnehmenden chromatographischen Effekt des Mantelkeils und daher zunehmender Fluid-Signatur begründet. Das Zuführen einer Sediment-Schmelze im Fall der arc-Proben scheint diese Fluid-Signatur abzuschwächen. Die Se-Isotopensignatur der Marianen Laven zeigt aufgrund der komplexen Beimengungen der verschiedenen Subduktionskomponenten eine große Spannbreite. Insgesamt betrachtet ist diese Signatur deutlich verschieden von der des Prä-Subduktionsmantels. Der Eintrag von isotopisch leichtem Selen mittels Subduktionskomponenten kann vermutlich auf das Recycling von alterierter, Sulfid-führender ozeanischer Kruste und von modernen Sedimenten zurückgeführt werden. Subduktions-Recycling könnte einen Einfluss auf die zeitliche Se-Isotopenzusammensetzung des (Oberen) Erdmantels gehabt haben, die auf der Verschiebung der Se-Isotopenszusammensetzung von Sedimenten hin zu isotopisch leichteren Signaturen seit der neoproterozoischen Sauerstoffanreicherung der Erdatmosphäre beruht. Ein Ziel zukünftiger Selen-Studien sollte es sein, mögliche Beziehungen zwischen atmosphärischem Sauerstoffanstieg, Se Recycling und der isotopischen Evolution des Erdmantels über die Erdgeschichte hinweg zu identifizieren.
Das dritte Kapitel präsentiert erste Se-Isotopendaten für metamorphe Gesteine, die genutzt wurden, um die Prozesse die das Verhalten chalkophiler Elemente in subduzierter ozeanischer Kruste beeinflussen, zu untersuchen. Dazu wurde eine vom Raspas Komplex, SW Ecuador, stammende Probensuite genutzt, die Eklogite, serpentinisierte Peridotite und einen Metapelit umfasst. Diese Gesteine wurden bis in eine Tiefe von ~60 km subduziert und wurden anschließend als strukturell-zusammengehörendes Paket exhumiert. Die Gesteine, die während der Metamorphose zu Eklogiten wurden, stellen typische Mittelozeanische Rückenbasalte (N-MORB) dar, die vor ihrer Versenkung in den Erdmantel unterschiedlich stark von hydrothermaler Alteration beeinflusst wurden. Dies wurde während dieser Studie anhand von leichten Se-Isotopensignaturen bestätigt, die typisch für hydrothermal alterierte Basalte sind. Zusätzlich zeigen Eklogite, die eine starke Anreicherung fluid-mobiler Elemente aufweisen (niedrige Ce/Pb, Ce/Rb und Ce/Cs Verhältnisse), die schwersten Se-Isotopensignaturen, die denen von serpentinisierten Peridotiten und Metapeliten ähneln. Es kann davon ausgegangen werden, dass durch Dehydration von subduzierter ozeanischer Kruste und Serpentiniten freigesetzte Fluide in der Lage sind chalkophile Elemente zu mobilisieren. Potentielle Quellen für diese sind vermutlich hydrothermale Sulfide innerhalb alterierter ozeanischer Kruste, die im Zuge sich verändernder Druck- und Temperaturbedingungen instabil werden. Intensive Interaktion von Gesteinen und Fluiden hat vermutlich das Potential gelöste chalkophile Elemente innerhalb der subduzierten Kruste umzuverteilen und darüber hinaus in den Mantelkeil abzuführen, wobei letzteres die Se-Isotopensignatur der Marianen Laven erklären könnte (Chapter 2).
Die Ergebnisse der drei Kapitel dieser Dissertation zeigen, dass die Isotopensystematik des redox-sensitiven und chalkophilen Elements Se ein mächtiges Werkzeug darstellt, um die Zusammenhänge zwischen dem Verhalten von Sulfiden innerhalb subduzierter ozeanischer Kruste und dem Subduktions-Recycling der Chalkogene zu entschlüsseln. Die Se-Isotopensystematik kann genutzt werden, um die Evolution des Mantel–Kruste–Atmosphäre–Systems der Erde über die Erdgeschichte hinweg, nachzuvollziehen.
Abstract:
In this cumulative dissertation isotope systematics of the redox-sensitive, chalcophile and moderately volatile element selenium (Se) are used to place further constraints on the recycling of chalcogens in subduction zones. Investigation of Se isotope compositions of low nanogram (ng)-level geological samples is challenging. This is both due to difficulties regarding chemical Se purification from sample matrices and instrumental challenges during mass spectrometric analysis. As a result, only few Se isotope data exist so far for relatively Se-poor samples, such as subduction-related rocks. In comparison, crustal materials such as sediments have several magnitudes higher Se concentrations. Particularly sediments were thus already subject to several Se isotope investigations regarding the mechanisms and the timing of Earth`s atmospheric oxygenation. In contrast, little if any work has been dedicated to employ the versatile Se isotopes to study the connection between Earth`s surface and interior evolution. By assessing the chalcophile element cycle in subduction zones using Se isotopes, this dissertation takes first steps to close this gap.
Given the analytical challenges of Se isotope analyses and the fact that former instruments used to determine Se isotope ratios of igneous rocks (i.e. Micromass IsoProbe – Rouxel et al., 2002, 2004) have become commercially unavailable, a new method is thus required. The first chapter of this dissertation comprises detailed descriptions and advantages of the method developed for the purpose of this study. The presented method allows to use a ThermoFisher Scientific® NeptunePlus™ for accurate and precise determination of Se isotope ratios. This involves a double spike to account for isotope fractionation and a hydride generator system for efficient sample introduction. Injection of methane to the plasma source results in two-to three-fold Se signal increase and background signal suppression by a factor of two. This method now allows a systematic investigation of low ng-level geological materials.
In the second chapter, the first Se isotope data on island arc lavas from the Mariana arc system are provided. The Se isotope signature of submarine Mariana lavas from the arc and back-arc regions is not affected by degassing and, unlike the elemental Se budget of these lavas, is not affected by magmatic differentiation processes. Hence, the δ82/76Se of submarine arc lavas may retain its source signature. This signature is likely enriched by melt-like and fluid-like subduction components derived from the subducting Pacific crust and overlying sedimentary cover. The Mariana samples show a tendency to become isotopically lighter from the back-arc to arc(-like) lavas, possibly reflecting a decreasing chromatographic effect of the overlying mantle wedge and increasing influence of a fluid-induced signature. Addition of a sediment melt-like subduction component seems to buffer this fluid signature as observed in Mariana arc samples. The large Se isotope compositional range of Mariana lavas is due to the complex contributions of subduction components, but are on average isotopically lighter than the Mariana pre-subduction mantle. Potential slab-derived contributions may be traced back to subduction recycling of isotopically light Se input such as altered sulfide-bearing oceanic crust and modern sediments. Subduction recycling of Se may also have had an impact on the secular Se isotope composition of the Earth’s upper mantle given that a considerable shift to lower δ82/76Se average values in sediments has been identified due to the Neoproterozoic Oxygenation Event. Future studies might help to better understand the interplay between Earth`s atmospheric oxygenation, Se recycling and isotopic evolution of the mantle through geological time.
In the third chapter, new Se isotope data for prograde metamorphic rocks are presented and used to investigate the processes affecting the behavior of chalcophile elements within subducting oceanic crust. Therefore, eclogites, serpentinized peridotites and a metapelite from the Raspas complex, SW Ecuador, were studied. These rocks were subducted to depths of ~60 km and subsequently exhumed as a coherent package. Eclogites have previously been identified to be derived from typical N-type mid-ocean-ridge basalts (N-MORB) that were subject to hydrothermal seafloor alteration. This is also inferred from isotopically light Se isotope compositions that overlaps with those of typical hydrothermally altered basalts. Eclogites influenced by extensive fluid-mobile element enrichment, as identified by low Ce/Pb, Ce/Rb and Ce/Cs, are characterized by heavy Se isotope compositions that approach those of serpentinized peridotites and metapelites. It is thus proposed that, dehydration of subducted oceanic crust and serpentinites leads to fluid release and scavenging of chalcophile elements. Potential sources are hydrothermal sulfides within hydrothermally altered basalt that destabilize during prograde subduction metamorphism. Extensive interaction of slab lithologies with fluids bears the potential to relocate and re-distribute dissolved chalcophile elements within the slab. Further, this provides a realistic mechanism for element transfer to the overlying sub-arc mantle. This could, in principle, explain the Se isotope signature of Mariana lavas (Chapter 2).
The results of the three chapters of this dissertation provide evidence that Se isotope systematics are a powerful tool to unravel the link between the behavior of sulfides within subducting oceanic crust and the subduction-related chalcophile element cycle. It is further anticipated that new constraints can be placed on the evolution of Earth`s mantle–crust–atmosphere system throughout geological history from the perspective of this novel redox-sensitive and chalcophile isotope system.