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Die Fähigkeit, emotionale Zustände anderer Personen korrekt zu erkennen, ist eine Grundvoraussetzung für erfolgreiche soziale Interaktion. Eine Beeinträchtigung dieser Fähigkeit ist eines der Kernsymptome, die im Rahmen einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) auftreten. Zahlreiche Studien bestätigen diese Annahme, doch nur sehr wenige Studien beziehen sich auf die Ursachen und Grundlagen dieses Emotionserkennungsdefizites, obwohl es die Betroffenen im Alltag sehr beeinträchtigt und den Leidensdruck der Erkrankung stark erhöht.
Bislang ist nicht geklärt, ob Individuen mit Autismus-Spektrum-Störung ein generelles Emotionserkennungsdefizit aufweisen oder ob sich das Defizit der Emotionserkennung lediglich auf bestimmte Emotionen bezieht. Es gibt zahlreiche Studien, welche diese Fragestellungen untersuchen, doch die Ergebnisse sind divergent.
Die Mehrheit der bisher existierenden Studien konzentriert sich dabei auf die faziale Emotionserkennung, wobei Emotionen nicht nur durch das Gesicht alleine, sondern auch durch Körperhaltungen und -bewegungen ausgedrückt werden. Die behavioralen und neuronalen Grundlagen der Emotionsverarbeitung aus Körperhaltungen und -bewegungen sind jedoch bislang nur wenig erforscht, besonders wenig in Bezug auf die Autismus-Spektrum-Störung.
Die vorliegende Studie hat es sich daher zum Ziel gemacht, die neuronalen Grundlagen der Emotionsverarbeitung bezüglich der Körperhaltung anhand von animierten Gangsequenzen zu untersuchen und die Aktivierungsmuster psychisch gesunder Probanden mit Personen mit Autismus-Spektrum-Störung zu vergleichen, um mögliche pathophysiologische Veränderungen zu erfassen.
Dazu wurden animierte Sequenzen gehender Personen (ohne Gesichter und Geschlechtsmerkmale), die durch ihr Gangbild verschiedene Emotionen ausdrückten, 27 Kindern mit ASS und 27 gesunden Kontrollen präsentiert. Die untersuchten Kinder sollten die dargestellten Gangmuster (traurig, fröhlich, neutral) erkennen und einordnen. Zur Sichtbarmachung neurobiologischer Prozesse wurden mittels funktioneller Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS) Konzentrationsänderungen von oxygeniertem und deoxygeniertem Hämoglobin in relevanten Bereichen des Kortex (regions of interest, ROI) erfasst. Zusätzlich zu den so gewonnenen Informationen über die kortikale Durchblutung wurden die Verhaltensdaten (Reaktionszeit und Genauigkeit) der Probanden gemessen.
Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass es keine Gruppenunterschiede, weder bei den Verhaltensdaten noch der Hirnaktivierung, zwischen den untersuchten psychisch gesunden und Personen mit ASS gibt. Bezüglich der Verhaltensdaten zeigte sich, dass traurige Emotionsstimuli von beiden Gruppen am besten erkannt wurden, gefolgt von den fröhlichen Emotionsstimuli. Am schlechtesten erkannt wurden die neutralen Emotionsstimuli. Die fröhlichen Emotionsstimuli wurden im Mittel am schnellsten korrekt erkannt, die traurigen am langsamsten.
Die Auswertung der NIRS-Daten zeigte eine schwierigkeitsabhängige Aktivierung der relevanten Hirnregionen, wobei neutrale Emotionsstimuli die höchste und traurige Emotionsstimuli die geringste Aktivierung aufwiesen. Desweiteren ergab sich bei beiden Gruppen eine signifikant positive Korrelation des kognitiven Niveaus (IQ) mit der Anzahl korrekt erkannter Emotionsstimuli, sowie eine signifikant negative Korrelation des IQ mit der Reaktionszeit.
Aus den Ergebnissen kann einerseits geschlossen werden, dass die Emotionserkennung emotionsabhängig ist, Personen mit ASS aber kein generelles Emotionserkennungsdefizit aufweisen im Vergleich zu gesunden Personen, was gegen die aktuelle Forschungsmeinung spricht. Eine Erklärung hierfür könnte eine bessere Erkennung von Körperhaltungen und -bewegungen sein, mit welcher Personen mit ASS ihr auf Gesichter bezogenes Emotionserkennungsdefizit gegenüber psychisch gesunden Personen ausgleichen. |
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