Inhaltszusammenfassung:
In der Bildungssoziologie gibt es die anhaltende Debatte, ob die Institution der Schule ein "Equalizer" sein kann, indem sie Ressourcenmangel in der häuslichen Umgebung kompensiert. Während frühere theoretische Arbeiten darauf hindeuteten, dass Schulen Ungleichheiten häufig aufrechterhalten oder verstärken, indem sie Schüler mit hohem sozioökonomischem Status aufgrund eines bestimmten „Mittelklasse Habitus“ bevorzugen, plädierten neuere Studien für die Idee, dass Schulen auch das Potenzial haben, elterliche Benachteiligungen zu kompensieren. Beispielsweise können Schulen mit hoher Unterrichtsqualität die Unterschiede zwischen den Schülern tatsächlich verringern. Die Rolle der Unterrichtsqualität wurde jedoch von Forschern nicht ausreichend berücksichtigt, als sie prüften, inwieweit Schulen die bestehenden Ungleichheiten zwischen Schülern aufrechterhalten, verringern oder vergrößern. Aus der Forschung zu differenziellen Effekten des Unterrichts wissen wir, dass die Unterrichtsqualität auch mit den Eigenschaften der Schüler zusammenhängt. Es herrscht wenig Einigkeit darüber, wie die Praktiken und Interaktionen der Lehrer mit den Schülern im Klassenzimmer zu unterschiedlichen Resultaten auf Seiten der Schüler führen können. Die Frage, inwiefern der Unterricht verschiedene Auswirkungen auf Schüler mit unterschiedlicher sozialen Herkunft haben kann, bleibt bestehen.
Um ein besseres Verständnis der Rolle des Unterrichts bei Bildungsungleichheiten zu erlangen, sollte der Zusammenhang zwischen dem Hintergrund des Schülers und der Unterrichtsqualität sorgfältig geprüft werden. Zu diesem Zweck habe ich untersucht, (1) ob die Unterrichtsqualität mit den sozioökonomischen Hintergrundmerkmalen der Schüler bei der Vorhersage der Schulleistung interagierte, (2) ob die Unterrichtsqualität bei Schülern mit verschiedenen sozioökonomischen Hintergründen unterschiedlich wahrgenommen wird und (3) ob die Unterrichtsqualität in Klassenräumen mit unterschiedlichen Kompositionen aus sozioökonomischen, akademischen und motivationalen Merkmalen variiert. Diese Fragen wurden in drei Teilstudien behandelt, für die Datensätze aus zwei deutschen Längsschnittstudien verwendet wurden.
In der ersten Teilstudie ging es um die Frage, ob Unterrichtspraktiken die Leistungsdifferenz zwischen Schülern mit niedrigem und höherem sozioökonomischem Herkunft verringern oder verstärken. Im Besonderen bestand das Ziel darin, herauszufinden, ob Schüler mit einem niedrigeren sozioökonomischen Status mehr von bestimmten Unterrichtspraktiken profitieren könnten, oder ob sie aufgrund ihres Mangels an Fähigkeiten, die ihnen im klassischen Unterricht von Nutzen sein könnten, in der Schule zurückfallen.
Es wurden drei Dimensionen der Unterrichtsqualität (kognitive Aktivierung, Klassenführung und unterstützendes Klima) unterschieden und anhand von Mehrebenenmodellen getestet, um zu ermitteln, wie sie jeweils mit höheren Leistungsbewertungen in der 10. Klasse zusammenhängen, und ob sie als Moderator
des Zusammenhangs zwischen sozialem Hintergrund und Schulleistung fungieren. Die Ergebnisse zeigten, dass Klassenführung positiv mit Schülerleistung zusammenhängt: In Unterrichtsräumen mit besserem Management erzielten die Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrem sozioökonomischen Hintergrund bessere Leistungen. Nichtsdestotrotz moderierten kognitive Aktivierung und ein unterstützendes Klima den Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Hintergrund und Leistungsniveau positiv, was zu größeren Leistungsunterschieden führte.
In der zweiten Teilstudie lag der Fokus auf dem Zusammenhang zwischen den sozioökonomischen Hintergrundmerkmalen der Schüler und ihrer Wahrnehmung der Unterstützung durch den Lehrer. Darüber hinaus wurde die Interaktion von früheren Leistungen mit sozioökonomischem Hintergrund getestet. Aufbauend auf der soziologischen Arbeit von Lareau (2003) und Calarco (2011) prognostizierten wir einen Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund der Schüler und der Art und Weise, wie sie Unterstützung im Unterricht wahrnehmen. Wir erwarteten, dass Schüler mit einem höheren sozioökonomischen Hintergrund die Unterstützung, die sie im Unterricht erhalten, kritischer beurteilen und ihre Lehrer negativ bewerten werden. Die mehrstufige Analyse einer Stichprobe von Zehntklässlern bestätigte, dass ein negativer Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Hintergrund und der Wahrnehmung der Lehrer durch die Kinder besteht, was mit der Theorie der „concerted cultivation“ von Lareau (2003) übereinstimmte. Eine höhere vorherige Leistung war mit einer positiveren Wahrnehmung der Lehrerunterstützung verbunden, schien jedoch nicht mit dem sozioökonomischen Hintergrund zu interagieren.
Im Fokus der dritten Teilstudie stand der Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung der Schülerschaft und der Unterrichtsqualität. Ähnlich wie in der ersten Teilstudie wurden drei Dimensionen der Unterrichtsqualität (Klassenführung, unterstützendes Klima, kognitive Aktivierung) untersucht. Die Beziehung zwischen Unterrichtsqualität und soziokulturellen sowie leistungsbezogenen und motivationalen Merkmalen der Schülerschaft wurde in einer Stichprobe von Drittklässlern getestet. Wir erwarteten, einen positiven Zusammenhang zwischen der leistungsbezogenen und motivationalen Klassenzusammensetzung und der Bewertung der Unterrichtsqualität zu finden, und nahmen an, dass die soziokulturelle Zusammensetzung der Klassen einen schwachen positiven oder unbedeutenden Einfluss auf die Unterrichtsqualität im deutschen Kontext hat. Unsere Ergebnisse zeigten, dass die leistungsbezogene und motivationale Zusammensetzung der Klassen nur mit dem von den Schülern bewerteten Klassenzimmermanagement in Verbindung steht, während sie allerdings mit dem von externen Beobachtern beurteilten Klassenzimmermanagement und unterstützenden Klima in Zusammenhang standen.
Im Anschluss an diese Teilstudien wird eine allgemeine Diskussion präsentiert. Die Ergebnisse der drei Studien werden hier vor dem Hintergrund des aktuellen Forschungsstandes zusammengefasst, der für die Beziehung zwischen Schülerhintergrund und Lehre relevant ist, sowohl für Forschung im Bereich
Soziologie, als auch in der Bildungsforschung und Psychologie. Dabei wird hervorgehoben, wie die vorliegende Arbeit herangezogen werden kann, um zukünftige Forschung zu Ungleichheiten im Bildungsbereich sowie zur Unterrichtsqualität zu bestimmen und wie die Ergebnisse die Praxis in Schulen beeinflussen können, um die Unterrichtsqualität für Schüler mit verschiedenen Hintergründen besser zu nutzen.
Abstract:
It has been an ongoing debate in the Sociology of Education if the institution of school can be the “great equalizer” by compensating for lack of resources in the home environment. While earlier theoretical work suggested that schools often maintain or exacerbate inequalities by favouring those from high socioeconomic backgrounds based on their display of a certain “middle-class habitus”, more recent work advocated for the idea that schools also have the potential to compensate and even counter parental disadvantages. For instance, schools with high teaching quality may indeed reduce the disparities between the students. However, the role of teaching quality has not been given enough attention by the researchers examining the extent to which schools maintain, reduce or enlarge the existing inequalities between the students. We know from research on differential teaching, that teaching quality has an interactive relationship with student characteristics. There is, however, little consensus on how teachers’ practices and interactions with the students in the classroom can result in disparities in student outcomes. The question regarding the extent to which teaching can have differential effects on students with different socioeconomic backgrounds persists.
In order to gain a more thorough understanding of the role of teaching for educational inequalities, the relationship between student background and teaching quality should be carefully examined. For this purpose, I have investigated (1) if teaching quality interacted with the student socioeconomic background features in predicting academic outcomes, (2) if teaching quality is perceived differently among students from diverse socioeconomic backgrounds and (3) if teaching quality differed among classrooms with varying compositions of sociocultural, achievement-related, and motivational features. These questions were addressed in three studies that used data sets from two longitudinal studies in Germany.
The first study addressed the question of whether teaching practices reduce or exacerbate the achievement gap between students from lower and higher socioeconomic backgrounds. More specifically, the aim was to find out if students with lower socioeconomic status could gain more from particular teaching practices or if they would fall behind their peers from high socioeconomic backgrounds due to a lack of skills which would allow them to benefit from the mainstream teaching at the school. Three dimensions of teaching quality (cognitive activation, classroom management and supportive climate) were distinguished and tested with multilevel models to determine how each of them is related to higher achievement scores during 10th grade and if they act as moderators of the association between family background and achievement. The findings indicated that classroom management is positively associated with student performance: Students, regardless of their socioeconomic backgrounds, had better achievement scores in classrooms with better management. Nevertheless, cognitive activation and supportive climate positively
moderated the association between socioeconomic background and achievement levels, thus leading to a larger achievement gap.
In the second study, the focus was on the association between student socioeconomic background characteristics and their perception of teacher support. Additionally, the interaction of prior achievement with socioeconomic background was tested. Building on the sociological work by Lareau (2003) and Calarco (2011), we predicted a link between students’ socioeconomic background and how they perceive support within the classroom. We expected that students from higher socioeconomic backgrounds would be more critical about the support they receive in the classroom and rate their teachers more negatively. Multilevel analysis of a sample of 10th graders confirmed that there is a negative association between socioeconomic background and children’s perception of teacher support, which was in line with the “concerted cultivation” theory by Lareau (2003). Having higher prior achievement was associated with a more positive perception of teacher support, but it did not seem to interact with the socioeconomic background.
At the centre of the third study was the relationship between classroom composition and teaching quality. Similar to the first study, three dimensions of teaching quality (classroom management, supportive climate, cognitive activation) were examined. The association of teaching quality with the sociocultural, as well as the achievement-related and motivational characteristics of the classroom composition was tested in a sample of 3rd graders. While we expected to find a positive link between achievement-related and motivational classroom composition and ratings of teaching quality, we hypothesized that the sociocultural composition has a weak positive or insignificant influence on the teaching quality in the German context. Our results demonstrated that the achievement-related and motivational composition of the classrooms were associated only with classroom management rated by the students, whereas they were related to both classroom management and supportive climate rated by the external observers.
Following these sub-studies, a general discussion is presented. Here, findings of the three studies are summarized against the background of the current state of research that is relevant for the relationship between student background and teaching in the fields of sociology, educational science and psychology. Thereby, it is emphasized how the present thesis may be used to inform future research on educational inequalities as well as teaching quality and how the results may inform practice in schools to improve the way teaching quality can benefit students from diverse backgrounds.