Inhaltszusammenfassung:
Die maternale Primärinfektion mit dem Humanen Cytomegalievirus ist die häufigste intrauterine Infektion weltweit. Der Krankheitsverlauf ist bei werdenden Müttern meist asymptomatisch und ist in seltenen Fällen von unspezifischen grippe-ähnlichen Symptomen begleitet. Jedoch kann das erhöhte Risiko einer diaplazentären Übertragung auf den Fetus zu schwerwiegenden Entwicklungsstörungen des Zentralen Nervensystems führen, sowie im Verlauf der ersten Lebensjahre Hörschädigungen verursachen (Picone et al., 2013).
In der Abwesenheit eines effektiven Impfstoffes gegen das Virus, haben mehrere Studien verschiedene Präventionsmaßnahmen untersucht um das Risiko einer HCMV-Transmission auf den Feten zu reduzieren. Die Hygieneberatung von seronegativen Frauen hat sich als sehr effektive Methode erwiesen, dieses Risiko um bis zu 50% zu senken. Die Untersuchung der Serostatuses der Schwangeren ist Grundvoraussetzung, um die werdende Mutter entsprechend medizinisch aufzuklären. Dabei ist der bewusste Umgang mit Kleinkindern im Umfeld der Frau von besonderer Bedeutung. So sollte bespielhaft der körperliche Kontakt vermieden und gemeinsam benutzte Gegenstände und Oberflächen entsprechend gereinigt werden. Das routinemäßige Händewaschen hat sich dabei als erfolgreiches Werkzeug erwiesen (Revello et al., 2015).
Des Weiteren konnte eine Therapie mit HCMV-spezifischen Hyperimmunoglobulinen nach einer bestätigten Primärinfektion der Mutter, die Übertragungsrate nachweislich reduzieren (Nigro et al., 2005; Visentin et al., 2012). Hyperimmunoglobuline sind gepoolte Seren von gesunden Spendern, die einen erhöhten HCMV-spezifischen Titer aufweisen. Jedoch sind die Ergebnisse verschiedener Studien, hinsichtlich der Effektivität der HIG Behandlung widersprüchlich. In diesem Zusammenhang konnte die einzige randomisierte kontrollierte Studie keinen signifikanten Unterschied zwischen der Präventions- und Placebogruppe feststellen (Revello et al., 2014). Jedoch konnte eine Meta-Analyse der Nigro- und Revello-Studie einen signifikaten Trend, im Bezug auf die Reduktion der maternofetalen Transmission feststellen (Rawlinson et al., 2016). Es gibt allerdings keine offizielle Empfehlung für die Behandlung von schwangeren Frauen mit Hyperimmunoglobulinen außerhalb von klinischen Studien (Rawlinson et al., 2017).
Die Untersuchungen dieser Dissertation wurden im Hintergrund einer in Tübingen durchgeführten HIG Studie zur Prävention von maternofetalen Transmissionen im ersten Trimenon der Schwangerschaft durchgeführt (Kagan et al., 2018). Parallel zu dieser Studie, war das Ziel, der vorliegenden Arbeit, die in vitro Evaluierung des verwendeten Hyperimmunoglobulin-Präparates Cytotect® (Biotest AG) durchzuführen.
In den ersten Experimenten konnte gezeigt werden, dass Cytotect® in der Lage ist, verschiedene HCMV Stämme effektiv in in vitro Untersuchungen zu neutralisieren. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, das essentielle Strukturen des Virus genetisch konserviert sind, die für eine erfolgreiche Infektion, Vermehrung und Verbreitung des Virus notwendig sind und sich dies durch Hyperimmunoglobuline verhindern lässt.
Im Folgenden wurden HCMV-spezifische Antikörper weiter untersucht, die in HIG vorhanden sind und sich gegen gezielte Strukturen des Virus richten – den Pentamerkomplex (gHgL-UL128-131). Dieser virale Komplex ermöglicht dem Virus den Eintritt in Epithel- und Endothelzellen und scheint auch bei Dendritischen Zellen und Monozyten von Bedeutung zu sein (Hahn et al., 2004; Gerna et al., 2005; Wang et al., 2005). Zwei UL130 Peptide und ein rekombinanter Pentamerkomplex wurden verwendet, um Epitop-spezifische Antikörper aus Cytotect® zu depletieren und deren Einfluss auf die in vitro Neutralisationskapazität in retinalen Pigment-Epithelzellen (ARPE-19) zu untersuchen. Während die Depletion mit UL130 Peptiden zu einer niedrigeren Reduktion der in vitro Neutralistionskapazität führte (maximale Differenz: 16%), konnte unter der Verwendung des rekombinanten Pentamerkomplex ein beachtlicher Anteil der in vitro Neutralisationskapazität (maximale Differenz: 42%) entfernt werden. Diese Ergebnisse bestätigen Studien von Fouts et al., 2012 und Loughney et al., 2015. Sie zeigen, zusammen mit den Ergebnissen in dieser Dissertation die mögliche, vielversprechende Anwendung des Pentamerkomplex als Zielstruktur für die Impfstoff-Entwicklung, da viele polyklonale HCMV-neutralisierende Antikörper in HIGs gegen den Pentamerkomplex gerichtet sind.
In weiteren in vivo Untersuchungen wurden longitudinale LiHep-Blutproben von 9 schwangeren Frauen untersucht, die Teil der Patientenkohorte der Tübinger HIG Studie waren. Die Proben wurden mit dem Ziel analysiert, die mögliche Stimulation von HIG Administrationen auf die zelluläre Immunantwort nach einer HCMV-Primärinfektion zu untersuchen. Für diesen Zweck, wurden zwei IFN-γ Release Assays parallel durchgeführt, um die indirekte IFN-γ Sekretion zu messen. Dabei erfasste der QuantiFERON CMV® (Qiagen) die IFN-γ Konzentrationen und der T-Track EliSPOT CMV® (Lophius) bestimmte die Anzahl der IFN-γ produzierenden mononukleären Zellen des peripheren Blutes. Die in vivo Untersuchungen in beiden Tests zeigten, dass mehrfache, zweiwöchentliche Applikationen von Cytotect® in wiederholten Stimuli der IFN-γ Produktion bei 8 behandelten Schwangeren resultierten, die HCMV-Non-Transmitterinnen waren. Die erfassten IFN-γ Messwerte schwankten stark zwischen den untersuchten Frauen und zeigten jeweils eine unterschiedliche Kinetik für IFN-γ, beginnend bei varierenden IFN-γ Ausgangsniveaus. Diese Beobachtung deckt sich mit Untersuchungen von Jackson et al., 2014, welche beschreiben, dass die individuelle zelluläre Immunantwort stark schwanken kann.
Im Allgemeinen kann die Verabreichung von HCMV-spezifischen hochaviden Antikörpern an mehreren Stellen in die zelluläre Immunantwort eingreifen und beispielhaft die Opsonierung verbesseren durch effektives Binden und Neutralisieren des Virus, sowie Fcγ-Rezeptor Aktivierung (Corrales-Aquilar et al., 2011; Schwab et al., 2013).
Eine HCMV-Transmitterin wurde während der Tübinger HIG Studie erfasst und in dieser Dissertation untersucht. Sie zeigte eine bereits erhöhte IFN-γ Produktion mit einer zeitgleich frischen HCMV-Primärinfektion zu Beginn der HIG Therapie. Interessanterweise bringt eine Studie von Saldan et al., 2015 erhöhte IFN-γ Messwerte und korrespondierende niedrige HCMV IgG Avidität in Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko einer maternofetalen Transmission während der Schwangerschaft und bestätigt damit die Daten der analysierten HCMV-Transmitterin. Darüber hinaus waren die Ergebnisse aller untersuchten Schwangeren bei beiden IFN-γ Tests im proportionalen Verhältnis gesehen miteinander vergleichbar, auch wenn sie unterschiedliche Ausleseparameter besitzen. Aus den gewonnenen Daten lässt sich ableiten, dass IFN-γ möglicherweise als Surrogat-Marker in Kombination mit einer serologischen Auswertung dienen kann, um ein potenziell-erhöhtes Risiko für eine HCMV-Transmission zum Feten nach einer Primärinfektion der Mutter abzuschätzen. Jedoch müssen weitere Untersuchen diese These bestätigen.