Inhaltszusammenfassung:
In zahlreichen Studien konnte gezeigt werden, dass Mangelernährung mit komplexen negativen Auswirkungen in verschiedenen Organsystemen assoziiert ist. Der negative Einfluss von Mangelernährung führt unter anderem zu mehr postoperativen Komplikationen, geringerer Lebensqualität und höheren Rehospitalisierungsraten. Durch die Entwicklung geeigneter Screeninginstrumente wie dem Nutrition Risk Screening 2002 (NRS) oder dem Mini Nutritional Assessment (MNA) können Patienten mit einem Mangelernährungsrisiko schnell und einfach identifiziert werden. Die Anwendung etablierter Screeningtools auf unterschiedliche Patientenkollektive belegt mit Prävalenzen von 20-50 % die Relevanz von Mangelernährung in fast allen medizinischen Fachbereichen. Die frühzeitige Identifikation von Risikopatienten und die konsekutive Einleitung einer supportiven Ernährungstherapie kann zur Verbesserung des Outcomes führen.
Die vorliegende Arbeit untersuchte die Prävalenz des Mangelernährungsrisikos unfallchirurgischer Patienten zu zwei definierten Zeitpunkten nach Beginn ihrer stationären Behandlung an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen (BGU). Der Ernährungsstatus wurde anhand des NRS und des MNA nach acht Wochen und nach sechs Monaten ermittelt. Das Mangelernährungsrisiko gemäß NRS lag im ersten Follow Up nach acht Wochen bei 14,7 % (MNA: 36,7 %). Das zweite Follow Up nach sechs Monaten ergab eine Prävalenz von 10,1 %. (MNA: 28,2 %). Durch die Anwendung verschiedener Erhebungsmethoden ergaben sich abweichende Ergebnisse für das Mangelernährungsrisiko. Trotzdem zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang der beiden Screeninginstrumente. Das Mangelernährungsrisiko eines Kollektivs wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. In dieser Arbeit stellten sich höheres Lebensalter (> 60 Jahre), eine eingeschränkte Mobilität, Multimorbidität (≥ 5 Nebendiagnosen), eine regelmäßige Medikamenteneinnahme sowie das weibliche Geschlecht als signifikante Risikofaktoren heraus. Patienten mit einem Mangelernährungsrisiko zeigten bezüglich verschiedener Zielgrößen zu beiden Befragungszeitpunkten ein signifikant schlechteres Outcome. So schätzten sie ihre Lebensqualität als geringer ein, bewerteten Schmerzen höher und erlitten häufiger Komplikationen. Zudem mussten Risikopatienten häufiger erneut stationär aufgenommen werden und waren länger arbeitsunfähig als Patienten ohne Mangelernährungsrisiko.
Das konsequente Screening auf ein Mangelernährungsrisiko bei stationärer Aufnahme von Patienten wurde bereits vielfach propagiert. Mit der vorliegenden Arbeit wird gezeigt, dass auch eine Re-Evaluation des Ernährungszustands im poststationären Setting von Bedeutung ist. Inwiefern eine supportive Ernährungstherapie in dieser Phase das Outcome positiv beeinflussen kann, sollte in weiteren Studien untersucht werden.