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Die Frühsommermeningoenzephalitis (FSME) ist eine nicht zu unterschätzende Infektion, die in unseren Breitengraden vor allem durch Zecken übertragen wird. Tübingen befindet sich im Risikogebiet. In dieser Untersuchung sollten retrospektiv die in den letzten 16 Jahren am Universitätsklinikum Tübingen diagnostizierten Fälle untersucht werden, um die Epidemiologie und Klinik möglichst genau zu beschreiben. Nach Möglichkeit sollten Faktoren herausgestellt werden, die das Outcome der Infektion beeinflussen.
Zur Verfügung standen die Patienten- und Laborinformationssysteme des UKT. Es wurden insgesamt 148 Fälle erfasst. Im Median waren es 8 Fälle pro Jahr. Die meisten Patienten (60%) wurden in der Neurologischen Abteilung vorstellig. Der Meldezeitpunkt entsprach ebenfalls den Erwartungen. Im zweiten (25%) und dritten Quartal (62%) wurden 87% aller Fälle diagnostiziert. In den Monaten Juni bis August wurden 67% der Fälle diagnostiziert.
Im Median waren die Patienten 9 Tage hospitalisiert. 86% hatten zu einem Zeitpunkt eine Körpertemperatur von 39°C oder höher. 54% hatten einen biphasischen und 44% einen monophasischen Verlauf. In 88% erfolgte eine Liquoruntersuchung und in 91% davon war der Liquor farblos. 99% wiesen einen Liquor mit Pleozytose (>10/µl) auf, davon hatten 82% einen Lymphozytenanteil von 30% oder mehr.
Die Serumkonzentration der FSME spezifischen Immunglobuline der Klasse M betrug in 92% mindestens 300 vieu/ml und die der Klasse G in 93% mindestens 300 vieu/ml. Bei 7% wurde eine Borrelien-Koinfektion bestätigt. In 87% wurden bildgebende Verfahren angewandt, dabei in 75% der Fälle eine MRT und in 47% eine CT und in 34% eine CT und eine MRT.
30% litten an einer meningitischen, 46% an einer meningoenzephalitischen und 15% an einer meningoenzephalomyelitischen, 9% an einer radikulitischen Form der FSME.
Bei Erstvorstellung litten die Patienten an Kopfschmerz (66%), Fieber (59%), Abgeschlagenheit (25%) Übelkeit (23%), Erbrechen (23%), Schwindel (18%), Gliederschmerzen (17%), Verlangsamung (16%), Nackenschmerzen (14%), Koordinationsstörung (12%), Parese (11%), oder Sehstörung (7%).
Im Verlauf wurden Meningismus (36%), psychomotorische Verlangsamung (23%), Gangunsicherheit (16%), Parese (11%), Vigilanzminderung (9%), Respiratorische Insuffizienz (8%), Tremor (8%), Hypästhesie (6%) diagnostiziert. Eine Patientin verstarb.
Bei Entlassung hatten 63% einen guten Allgemeinzustand, die restlichen Patienten litten an einer Parese (13%), reduziertem Allgemeinzustand (5%) oder Koordinationsstörung (4%).
Im Outcome gesundeten 69% der Patienten, die restlichen litten im Untersuchungszeitraum weiterhin an einer Parese (9%), rezidivierendem Kopfschmerz (7%), oder Gehörschaden (5%). Nachuntersuchungen erfolgten in 37% der dokumentierten Fälle.
Eine Impfanamnese wurde in 32 Fällen dokumentiert. Davon wiesen 3 Patienten einen vollständigen, 2 einen unvollständigen und 27 keinen Impfschutz auf. Eine Zeckenanamnese erfolgte bei 80% davon war in 49% ein Zeckenstich erinnerlich.
In dieser Untersuchung zeigten Patienten mit einem schwereren Verlauf ein schlechteres Outcome (p < 0,000). Die Höhe der Körpertemperatur hatte keine signifikante Auswirkung auf das Outcome. Eine zusätzliche Borrelien-Infektion zog signifikant kein schlechteres Outcome nach sich, obwohl eine zusätzliche Borrelien-Infektion mit einem schweren Verlauf signifikant assoziiert war (p = 0,012). Der Fieberverlauf (bi-/monophasisch) hatte keinen signifikanten Einfluss auf das Outcome. Es ließ sich nicht bestätigen, dass ein höheres Alter einen signifikanten Unterschied im Outcome bedingt, es zeigte sich aber eine leichte Tendenz dahin.
Die Ursachen für die zum Teil unerwarteten Ergebnisse konnten nicht abschließend geklärt werden. Wichtige Faktoren dürften die Zusammensetzung der Stichprobe, die enorme Varianz der Dokumentationssorgfalt und die Größe der Stichprobe sein. Im Interesse epidemiologischer Forschung wäre es für zukünftige Arbeiten von Bedeutung den Impfstatus besser festzuhalten. |
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