Inhaltszusammenfassung:
Das Ziel dieser Arbeit war es einerseits zu untersuchen, wie sich die Einnahme
antidepressiver Medikamente während ambulanter Psychotherapie entwickelt und
andererseits die Wirksamkeit bzw. Auswirkungen der Einnahme zu beleuchten. Als
Datengrundlage diente die Patientenbefragung der LAC-Studie (Langzeittherapie bei
chronischen Depressionen), einer Psychotherapievergleichsstudie zwischen kognitiver
Verhaltenstherapie und psychoanalytischer Psychotherapie. Den Ausgangspunkt für
diese Fragestellung bilden die aktuellen S3-Leitlinein der DGPPN. Diese empfehlen eine
Kombinationstherapie aus Antidepressiva und Psychotherapie sowohl bei chronischen als
auch bei schweren Depressionen. Konkret wurde folglich untersucht, ob sich die
Einnahme von Antidepressiva nach krankheitsspezifischen Parametern wie dem
Schweregrad oder der Chronizität richtet. Ebenfalls wurde geprüft, ob die zusätzliche
Einnahme von Antidepressiva einen Effekt auf die depressive Symptomatik nach einem
Jahr Psychotherapie hat und inwiefern sich Veränderungen in der Medikation ergeben
haben. Weiterhin wurden die beiden Therapieverfahren, Psychoanalyse und
Verhaltenstherapie, hinsichtlich antidepressiver Medikation untersucht und der
Zusammenhang zwischen Geschlecht und Antidepressiva-Einnahme geprüft.
Die Auswertung der Daten erfolgte mittels deskriptiver Statistik, Chi-Quadrat-
Korrelationstests und T-Tests für unabhängige Stichproben. Der BDI-II (Becks
Depression Inventory II) und das QIDS-C (Quick Inventory of Depressive
Symptomatology - Clinician) dienten als Messinstrumente.
Als Hauptergebnis stellte sich heraus, dass sich die Einnahme von Antidepressiva nach
dem Schweregrad der Depression gemessen am BDI-II richtet, während nach dem QIDSC kein Zusammenhang besteht. Je höher der BDI-II, desto eher bestand eine
Antidepressivatherapie. Hinsichtlich Chronizität der Depression ließ sich allerdings kein
Zusammenhang feststellen. Hingegen ergaben sich Hinweise auf andere Charakteristika
der PatientInnen, die im Zusammenhang mit der Einnahme von Antidepressiva zu stehen
scheinen. Dies ist zum einen der Partnerschaftsstatus, denn es zeigten sich signifikant
mehr PatientInnen ohne feste Partnerschaft in der Antidepressiva-Gruppe. Weiterhin
wiesen PatientInnen, die Antidepressiva erhielten, signifikant seltener Persönlichkeitsstörungen auf. Ebenfalls scheint der Schulabschluss eine Rolle zu spielen,
denn die PatientInnen in der Antidepressiva-Gruppe hatten seltener Abitur. Weiterhin
konnten Hinweise auf einen positiven Zusammenhang zwischen weiblichem Geschlecht
und Antidepressiva-Einnahme gesammelt werden.
Ein Vorteil der Kombinationsbehandlung aus Psychotherapie und Antidepressiva
gegenüber der alleinigen (psychoanalytischen bzw. kognitiv-verhaltenstherapeutischen)
Psychotherapie konnte in der untersuchten Stichprobe nicht nachgewiesen werden.
Hinsichtlich des BDI-II stellten sich Vorteile der alleinigen Psychotherapie besonders bei
schwer Depressiven dar. In psychoanalytischer und verhaltenstherapeutischer
Behandlung unterschied sich die Einnahme von Antidepressiva nicht.
Die Abbildung der Behandlungsrealität von chronisch Depressiven ist sowohl in
psychiatrischer als auch psychotherapeutischer Hinsicht von Interesse und bedarf
weiterer Erforschung. Auch sollte die Kombinationsbehandlung aus Psychotherapie und
Antidepressiva eingehender untersucht werden. Im Fokus sollten dabei sowohl
spezifische, prognoserelevante Aspekte der Depressiven als auch die therapeutischen
Beziehungen stehen.