Inhaltszusammenfassung:
Im Nachhinein erscheinen Ereignisse oft vorhersehbarer, zwangsläufiger und wahrscheinlicher als im Vorhinein. Die Tendenz im Nachhinein zu überschätzen, was man im Vorhinein wusste („Ich habe das ja schon immer gesagt!“), ist ein psychologisches Phänomen namens Rückschaufehler (engl. hindsight bias). Diese Dissertation befasst sich mit dem Rückschaufehler in verschiedenen Stadien des Wissens um ein Ereignis. Zum einen geht es darum, inwiefern es ohne konkretes Wissen darüber, was passiert ist, also z.B. im Falle einer Vermutung, einen Rückschaufehler geben kann, und zum anderen inwiefern sich Rückschauverzerrungen (am Beispiel von Wikipedia) verbreiten und verstärken, wenn die Umstände eines Ereignisses längst klar sind.
In zwei Studien zeigte sich, dass der Rückschaufehler auch auf Grundlage von Vermutungen entstehen kann, in dem Sinne, dass die Überzeugung entsteht, etwas schon immer vermutet zu haben. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass ein vermutungsbasierter Rückschaufehler sich in der Ausprägung nicht von einem wissensbasierten Rückschaufehler unterscheidet. Des Weiteren habe ich in vier Laborstudien untersucht und gefunden, dass a) Rückschauverzerrungen in Schriftstücken direkt mit dem Rückschaufehler ihrer Autoren zusammenhängen, b) das Lesen solch eines Artikels den individuellen Rückschaufehler verstärkt und c) dieser Effekt nicht durch kulturell bedingte Unterschiede in Denkmustern moderiert wird. Diese Befunde zeigen somit, dass der Rückschaufehler des Einzelnen durch ein Medium unter Vielen verbreitet werden und sich dadurch vervielfachen und verstärken kann.
Abstract:
In hindsight, events often seem predictable, more obvious, and more likely than in foresight. This tendency of overestimating what one knew before an event happened (“I knew that all along”) is a psychological phenomenon called hindsight bias. This dissertation focusses on hindsight bias at different stages of knowledge about an event. On the one hand, hindsight bias may develop even in the absence of definite knowledge about what happened. On the other hand, hindsight distortions may be communicated and enhanced even after clarification of what happened (for example through Wikipedia articles). This dissertation thus answers the following questions:
Do hindsight distortions necessarily require definite knowledge? Is a conjecture sufficient to elicit hindsight bias? Two studies, on field-study surrounding the missing flight MH370 and one laboratory study, provided answers. I found that hindsight bias can indeed develop on the basis of conjectures, as participants were convinced to have ‘conjectured all along’. Furthermore, I demonstrate that the magnitude of the resulting hindsight bias is comparable to hindsight bias based on definite knowledge. These findings are novel contributions to hindsight bias research and provide relevant insights in underlying mechanisms such as sense-making processes.
How does hindsight bias transfer into written artefacts? What are the consequences of reading material that is distorted by hindsight bias? Does the reader’s hindsight bias increase even further? Four studies offer further insights into the answers of these questions. I found that a) hindsight distortions in written artefacts are directly related to the author’s level of bias, b) reading such a distorted article can further increase a reader’s hindsight bias and c) the phenomenon is not moderated by cognitive thinking style due to different cultural backgrounds. These findings demonstrate that the hindsight bias of an individual can be communicated via written artefacts and thus spreads and proliferates among many.