Inhaltszusammenfassung:
Die chronische Hepatits B Infektion (CHB) ist mit 257 Millionen infizierten Menschen eine der häufigsten Ursachen einer Hepatits und führt trotz Einführung einer Vakzination und einer antiviralen Therapie häufig zu weiteren Komplikationen wie Leberzirrhose oder hepatozellulärem Karzinom. Eine Heilung der CHB ist aufgrund der Persistenz der viralen DNA in den Hepatozyten bisher nicht erreichbar. Die Therapie mit Nucleosid- und Nucleotidanaloga (NUC) führt zu einer effektiven Senkung der viralen Last mit einer Verbesserung der entzündlichen Aktivität bei den CHB-Patienten und verzögert dadurch das Fortschreiten der Infektion mit weiteren Komplikationen. Unter NUC-Therapie, vor allem mit Lamivudin und Adefovir Diprivoxil (ADV), kommt es aber im Verlauf häufig zu Resistenzentwicklungen, die mit einem erneuten Anstieg Viruslast und einer klinischen Verschlechterung einhergehen können. Als Ursache hierfür wurden in geno- sowie phänotypischen Analysen Mutationen im Genom der viralen Polymerase beschrieben. Die häufigsten unter ADV-Therapie vorkommenden Mutationen sind die Mutation rtN236T und rtA181V. In weiteren genotypischen Analysen aus Vorarbeiten zur vorliegenden Doktorarbeit konnten aus den HBV-Genomen von 276 Patienten unter ADV-Therapie, die zwischen 2003-2008 ein Therapieversagen entwickelt hatten, weitere Mutationen identifiziert werden. Diese Mutationen gingen mit einem verminderten virologischen oder biochemischen Ansprechen auf ADV einher. Insbesondere zeigten die HBV-Polymerasemutionen rtT128I und rtT128N einen statistisch signifikanten Zusammenhang mit einem verminderten virologischen Ansprechen. Desweiteren war die Mutation rtN248H statistisch signifikant mit einem verminderten biochemischen Ansprechen assoziiert und zeigte in phänotypischen Untersuchungen eine verminderte Suszeptibilität auf ADV. Aufgrund des vermehrten gemeinsamen Auftretens der Mutationen rt248H und rtE263D wurde vermutet, diese könne eine kompensatorische Mutation darstellen, die den Resistenzeffekt von rt248H verstärkt. In dieser Doktorarbeit wurden die Mutationen einer phänotypischen Resistenzanalyse in Zellkulturexperimenten unterzogen. Dafür wurden HepG2-Zellen mit HBV-Replikons, die den Wildyp (Wt), die Mutationen rtT128I, rt128N und die Doppelmutation rtN248H/rtE263D beinhaltenten, transfiziert und für sechs Tage mittels Konzentrationskinetik mit ADV behandelt. Nach Zellernte und Isolation der viralen DNA wurde die Viruslast mittels quantitativer PCR bestimmt und die Dosis-Wirkungs-Kurve mit den IC50-Werten kalkuliert. Die replikationskompetenten HBV-Replikons rtT128I und rtT128N wurden im Vorfeld durch site directed mutagenesis generiert. Die phänotypischen Resistenzanalysen zeigten für die Mutation rtT128I und rtT128N im Vergleich zum Wt eine statistisch signifikante 3,6-fach beziehungsweise 3,0-fach verminderte Sensitivität gegenüber ADV. Für die Doppelmutation rtN248/E263D zeigte sich eine statistisch nur moderat signifikante 2,4-fach verminderte Sensitivität gegenüber ADV, im Vergleich zum Wt. Um die Möglichkeit der Mutationen rtN236T, rtT128I und rtT128N auf eine Therapierbarkeit mit Tenofovir Disoproxil (TNV) zu untersuchen, wurden in weiteren Versuchen phänotypische Resistenzanalysen mit TNV durchgeführt. Hier zeigte sich, dass TNV die Viruslast bei rtT128I und rtT128N genauso effektiv senkt wie beim Wt. Bei der Mutation rtN236T zeigte sich eine stark verminderte Suszeptibilität gegenüber TNV, die jedoch statistisch nicht signifikant war. Somit konnte in den phänotypischen Analysen dieser Arbeit die im Vorfeld gezeigte genotypische Assoziation mit einer Therapieresistenz der Mutationen rtT128I und rtT128N bestätigt werden. Ein zusätzlicher Effekt der Mutation rtE263D auf die verminderte Sensitivität rtN248H zeigte sich nicht. Weiterhin konnte mit TNV eine suffiziente Senkung der Viruslast bei den Mutationen rtT128I und rtT128N erzielt werden. Die Untersuchungen der vorliegenden Doktorarbeit haben gezeigt, dass neben den bekannten antiviralen Resistenzmutationen gegenüber ADV, wie zum Beispiel rtN236T, weitere Mutationen im Polymerasegen für ein schlechtes Ansprechen verantwortlich bleiben. Hinsichtlich einer Verbesserung des Managements von CHB-Patienten mit schlechtem oder Nichtansprechen auf eine antivirale Therapie, unterstreichen die Ergebnisse dieser Doktorarbeit die weiterhin hohe Relevanz genotypischer und phänotypischer Resistenzanalysen.