Inhaltszusammenfassung:
In dieser Arbeit wurde die Prävalenz des Risikos einer Mangelernährung stationär behandelter unfallchirurgischer Patienten an der BG Unfallklinik Tübingen erhoben und die Einflüsse auf das klinische Outcome untersucht, da in der Traumatologie zu diesem brisanten Thema bisher nur wenige Untersuchungen existieren. Hierzu wurden Patienten der Traumatologie und Alterstraumatologie befragt und das NRS-2002 sowie das MNA als Screening des Ernährungszustandes verwendet. Mangelernährung hat bislang keine eindeutige Definition. Nach der ESPEN beschreibt sie einen Ernährungszustand, bei dem ein Mangel, Überschuss oder Ungleichgewicht an Energie, Protein oder anderen Nährstoffen besteht, der zu nachteiligen Effekten für Körper und klinisches Outcome führt. In der Klinik existieren viele Screening Methoden (NRS, MNA, MUST, MST, SGA, SNAQ), die unterschiedliche Anwendungsgebiete haben. Lücken bestehen in der allgemeinen Anwendung, Dokumentation, Behandlung und Abrechnung eines Risikos einer Mangelernährung.
Es zeigte sich, dass nach NRS 19,2% und nach MNA 35,0% der befragten Patienten ein Risiko einer Mangelernährung aufwiesen, was innerhalb bisheriger Prävalenzen hospitalisierter Patienten liegt. Mit zunehmendem Alter stieg auch das Risiko einer Mangelernährung an, so wiesen unter den > 80-jährigen 61,1% nach NRS und MNA ein solches Risiko auf. Patienten mit dem Risiko einer Mangelernährung verbrachten statistisch gesehen längere Zeit im Krankenhaus, eine Tendenz zu unerwünschten Ereignissen, die Dauer bis zur Mobilisierung war länger und die Lebensqualität war vermindert. Als Risikofaktoren stellten sich Alter, Geschlecht, BMI, Vor-/Nebenerkrankungen und Medikamenteneinnahme heraus. Von den untersuchten alterstraumatologischen Frakturen rückte die proximale Femurfraktur in den Vordergrund, erstens hinsichtlich des Risikos einer Mangelernährung bei ≥ 65-jährigen und zweitens hinsichtlich des Auftretens unerwünschter Ereignisse. Des Weiteren war ein Zusammenhang zwischen psychiatrischen Erkrankungen (Depression, Demenz) und dem Risiko einer Mangelernährung zu erkennen. Im Ver-gleich mit bereits publizierten Studien aus anderen medizinischen Fachbereichen kamen wir zu vergleichbaren Ergebnissen, sodass man sagen kann, dass ein Risiko einer Mangelernährung generell einen wichtigen Punkt in der Behandlung eines Patienten hinsichtlich des klinischen Outcomes darstellt. Auch aus wirtschaftlicher Sicht sollte man den Punkt ernster nehmen, da durch den demographischen Wandel die Anzahl an älteren Patienten mit potentiellem Risiko einer Mangelernährung weiterhin zunehmen wird.
Das NRS-2002 präsentierte sich in der Traumatologie als geeignete Screening Methode hospitalisierter Patienten und könnte routinemäßig in die Anamnese aufgenommen werden, um risikobehaftete Patienten zu erkennen und an-schließend zu therapieren. Die Etablierung eines Ernährungsteams, welches sich um betroffene Patienten kümmern und den Ernährungsstatus verbessern soll, könnte einen Lösungsansatz darstellen, um die oben genannten Lücken suffizient zu schließen. Mit Hilfe von Ernährungsberatung und oraler Trinknahrung könnte Patienten geholfen werden, ihr Risiko einer Mangelernährung zu beheben.
In Zukunft sollte weiterhin untersucht werden, welche weiteren Auswirkungen ein Risiko einer Mangelernährung hat, wie man betroffene Patienten effizient erkennt und welche Formen der Behandlung sich am besten eignen, um das Risiko langfristig zu beheben. Das Thema Ernährung und Mangelernährung muss in der Klinik im Bewusstsein weiter nach vorne rücken, um eine Verbesserung der Situation zu schaffen.