Inhaltszusammenfassung:
Anstatt der Nephrektomie ist mittlerweile die Nierenteilresektion als
therapeutische Option beim Nierenzellkarzinom in den Vordergrund getreten.
Dabei wird die Breite des mitresezierten gesunden Nierenparenchymsaumes
kontrovers diskutiert. Das angewandte Spektrum reicht von der Enukleation des
Tumors entlang dessen Pseudokapsel bis zur Mitresektion eines schmalen
Saumes entlang der tumorösen Masse. Aktuelle Daten aus der onkologischen
Literatur weisen allerdings auf denkbare tumorbiologische Veränderungen des
unmittelbar angrenzenden Nierenparenchyms des befallenen Organs hin, die
möglicherwiese die histologische Grenze überragen. Ziel der vorliegenden
Arbeit war es, zu evaluieren, inwieweit die Dimension dieses mitresezierten
Saumes mit dem weiteren Krankheitsverlauf der betroffenen Patienten in
Verbindung steht.
Bei 126 Patienten mit Nierenzellkarzinom und erfolgter Nierenteilresektion im
Zeitraum von 2002 bis 2009 wurde histologisch die minimale Breite des
mitresezierten Nierenparenchymsaumes gemessen und diese dem
onkologischen Verlauf nach der Operation gegenübergestellt.
Einschlusskriterien waren bestätigte Diagnose Nierenzellkarzinom, eindeutige
Evaluation der minimalen Schichtstärke gesunden Parenchyms, und eine
histologisch bestätigte R0-Situation. Aus der Studie ausgeschlossen wurden
Patienten, bei denen bereits im Vorfeld eine chirurgische Therapie eines
Nierenzellkarzinoms durchgeführt wurde oder deren Tumorgröße über 10 cm
Durchmesser lag.
Es ergab sich ein medianer Sicherheitsabstand von 1 mm zum Tumor. Die
mediane follow-up Zeit lag bei 65.5 Monaten. Neun der insgesamt 126
Patienten (7.1 %) entwickelten im Verlauf ein Rezidiv (fünf lokal, vier fern). Acht
der Rezidivfälle konnten in der Gruppe der Patienten mit einem
Sicherheitsabstand von bis zu einem Millimeter (Gruppe A) identifiziert werden
(10.4 %), wohingegen dies nur bei einem Patienten (2.0 %) aus der Gruppe mit
einem Sicherheitsabstand von über einem Millimeter (Gruppe B) der Fall war.
Alle fünf Lokalrezidive der Studienkohorte traten ausschließlich bei Patienten
Zusammenfassung
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aus der Gruppe A auf (p = 0.0245). Ein Sicherheitsabstand von ≤ 1 mm wurde
mit dem erhöhten Risiko eines Tumorrezidivs in univariaten und multivariaten
Studien in Verbindung gebracht (p = 0.0531 bzw. 0.0539).
Die vorliegenden Daten weisen auf eine onkologische Relevanz der
tumorangrenzenden, bisher als histologisch wie molekular-physiologisch
benigne betrachteten, Gewebeschichten hin. Diese Nierenparenchymschichten
sind möglicherweise auf molekularer Ebene bereits maligne verändert. Die
vorliegenden Daten können die Betrachtung der chirurgischen Vorgehensweise
hinsichtlich onkologischer Sicherheit beim Nierenzellkarzinom beeinflussen.
Ferner veranlassen die vorliegenden Daten zu einer näheren molekularen
Untersuchung des tumorangrenzenden Gewebes beim Nierenzellkarzinom und
möglicherweise auch bei anderen Malignomen.