Inhaltszusammenfassung:
Bei einem gewissen Anteil der Kinder mit kindlichem Wachstumshormonmangel kommt es zu einem Fortbestehen dieses im Erwachsenenalter mit schwerwiegenden Konsequenzen. Ausgewachsene Adoleszente und Erwachsene mit schwerem Wachstumshormonmangel haben unsubstituiert ein deutlich erhöhtes Risiko durch Veränderungen der Körperzusammensetzung (Zunahme der Fettmasse und Abnahme der Magermasse) ein krankhaftes Übergewicht und in der Folge Zweiterkrankungen des metabolischen Syndroms zu entwickeln. Auch Vitalität und Lebensqualität können negativ beeinflusst sein. Daher lautet die momentane Empfehlung alle Jugendlichen in der Transition mit erreichtem near-final-height-Wachstums, bei denen das Fortbestehen eines schweren Wachstumshormonmangels nicht absolut sicher ist, mittels eines Insulin-Toleranz- oder GHRH-Arginin-Stimulationstests erneut auf das Vorliegen eines solchen zu testen und das Ergebnis in Abhängigkeit einer definierten Prätest-Wahrscheinlichkeit zu interpretieren. Sollte sich dabei ein dauerhaft bestehender Wachstumshormonmangel zeigen, so wird die Fortführung der Wachstumshormontherapie empfohlen. Die Antwort auf den pharmakologischen Stimulus sowie der dafür arbiträr festgelegte Grenzwert werden jedoch durch weitere Faktoren wie Alter und Body-Mass-Index beeinflusst und führen zu einer generellen inhärenten Unsicherheit der Richtigkeit des Messergebnisses und zu berechtigten Zweifeln an der weitestgehend biochemischen Definition des therapiebedürftigen Wachstumshormonmangels im Erwachsenenalter. Es besteht daher die Empfehlung die Indikation zur Behandlungsbedürftigkeit durch klinisch erfassbare Veränderungen des Körpers zu stützen, welche momentan jedoch für ausgewachsene Jugendliche und Erwachsene noch nicht vorliegen.
Diese Studie hatte daher das Ziel, Daten über die Veränderungen der Körper-zusammensetzung und die psychometrisch erfassbare Lebensqualität bei Adoleszenten in der Transition in einem Zeitraum von sechs Monaten vor bis zwölf Monaten nach Beenden der Wachstumshormontherapie systematisch zu erfassen und mit endokrinen Parametern zu vergleichen. Dadurch sollte überprüft werden, ob es somatische und/oder psychometrische Veränderungen gibt, die neben den biochemischen Testergebnissen einen Indikator für einen schweren Wachstumshormonmangel im Erwachsenenalter, mit der Bedürftigkeit einer Fortführung der Therapie, darstellen.
Insgesamt wurden 64 Jugendliche mit idiopathischem Wachstumshormonmangel zum Zeitpunkt des near-final-heigt-Wachstums in die Studie eingeschlossen und zu vier Studienzeitpunkten untersucht: ein halbes Jahr vor Beenden der Wachstumshormontherapie, zum Zeitpunkt des Beendens sowie ein halbes Jahr und ein Jahr danach. Es erfolgte jeweils eine Untersuchung der Körperzusammensetzung mittels Dualenergie-Röntgen-Absortiometrie (DXA), eine Erfassung der körperlichen Aktivität mittels Bewegungsfragebogen und eine psychometrische Evaluation mittels zweier Fragebogen (Kiddo KINDLR, rezidivierte Selbstwertskala nach Rosenberg). Drei Monate nach Therapieende erfolgte die Durchführung eines GHRH-Arginin-Stimulationstest anhand dessen Ergebnisses, in Abhängigkeit der Prätest-Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines schweren Wachstumshormonmangels im Erwachsenenalter, eine Einteilung in drei Gruppen erfolgte: Gruppe 1 mit schwerem Wachstumshormonmangel, Gruppe 2 mit unklaren, widersprüchlichen Ergebnissen und Gruppe 3 mit sicher ausgeschlossenem Wachstumshormonmangel. Gruppe 1 erhielt ab dem dritten Studienzeitpunkt wieder Wachstumshormon. Anhand des klinischen Verlaufs erfolgte retrospektiv nach Zeitpunkt +12 eine Zuordnung der Patienten mit widersprüchlichen Ergebnissen in Gruppe 1 oder 3.
Die Auswertung dieser Studie ergab eine signifikante Zunahme der Fett- und Abnahme der Magermasse (p = 0,0086 (Fettmasse), p = 0,0016 (Magermasse)) bei den männlichen Patienten mit schwerem Wachstumshormonmangel sowie eine moderate und auf dem 5%-Niveau signifikante negative Korrelation (Korrelationskoeffizient nach Spearman -0,536) zwischen der maximalen Wachstumshormonantwort im Stimulationstest und der Veränderung der Körper¬zusammensetzung im ersten halben Jahr nach Beenden der Therapie bei allen männlichen Patienten. Im Gegensatz dazu ergab sich bei den weiblichen Patientinnen weder eine Korrelation zwischen der Antwort im Stimulationstest und den Veränderungen der Körperzusammensetzung noch eine signifikante Veränderung von Fett- und Magermasse bei denjenigen mit schwerem Wachstumshormonmangel. Für den BC-Score (für diese Studie entwickelter Score, der die Tendenz der körperlichen Entwicklung von Fett- und Magermasse zwischen zwei Studienzeitpunkten abbildet, BC-Score = Zuwachs Fettmasse + Verlust Magermasse) ergab sich bei den männlichen Patienten eine sehr gute diagnostische Güte (AUC = 0,94). Bei den weiblichen Patientinnen wurde auf eine Berechnung der diagnostischen Güte aufgrund der geringen Fallzahl verzichtet. Ein signifikanter Verlust oder Änderung an Lebensqualität oder Selbstwert konnte nicht beobachtet werden. Auch das körperliche Aktivitätsniveau blieb über den Verlauf der Studie hinweg nahezu konstant.
Die Studie erzielte dementsprechend ähnliche Ergebnisse in Bezug auf Veränderungen der Körperzusammensetzung, Lebensqualität und Selbstwert wie zu diesen Thematiken bereits durchgeführte Studien. Neu und erstmals untersucht, war der Zusammenhang zwischen der maximalen Wachstumshormonantwort im Stimulationstest und der körperlichen Veränderung nach Beenden der Wachstumshormontherapie. Aufgrund der teils geringen Anzahl an Patienten innerhalb einer Gruppe ist die Aussagekraft mit Einschränkung zu sehen und es sind weitere Studien mit großer Fallzahl und längerer Studiendauer notwendig. Dennoch können die Ergebnisse dieser Studie einen Ausgangspunkt als zusätzliche Sicherheit für die Diagnosestellung eines schweren Wachstumshormonmangels im Erwachsenenalter darstellen und vor allem bei unklarem Re-Test-Ergebnis zur einer schnelleren Diagnosefindung mit gegebenenfalls rascherer Wiederaufnahme der Wachstumshormontherapie führen.