Inhaltszusammenfassung:
Das Neuroblastom zählt zu den häufigsten soliden Tumoren des Kindesalters und ist bei höhergradigen Stadien mit einer schlechten Prognose und schneller Tumor-Progression assoziiert. Die Amplifikation des Proto-Onkogens MYCN gilt dabei als der wichtigste prognostische Faktor. Sein korrespondierendes Protein N-Myc spielt eine entscheidende Rolle in der Aufrechterhaltung der aeroben Glykolyse. Diese besondere Form des Tumor-Stoffwechsels – auch als Warburg-Effekt bezeichnet – beinhaltet die Konversion von Pyruvat zu Laktat statt zu Acetyl-Coenzym A auch unter aeroben Bedingungen. Dadurch können vermehrt Enzyme und Substrate gebildet werden, die die Tumor-Progression, Angiogenese, Proliferation sowie die Inhibition der Apoptose unterstützen. Das Antiprotozoikum Nifurtimox, das eigentlich in der Behandlung der Chagas-Krankheit verwendet wird, zeigte in ersten Studien zytotoxische Eigenschaften gegenüber Neuroblastomen. Bislang waren jedoch nur wenige Informationen über den spezifischen Wirkmechanismus verfügbar. In der vorliegenden in vitro Studie bewirkte die Behandlung der Neuroblastom-Zelllinien LA-N-1, IMR-32, LS und SK-N-SH mit Nifurtimox einen erhöhten intrazellulären Gehalt an reaktiven Sauerstoffspezies, eine reduzierte Laktat-Dehydrogenase-Enzymaktivität und -Expression, sowie eine reduzierte Bildung von Laktat. Weiterhin zeigte sich eine reduzierte Genexpression des Proto-Onkogens MYCN und des Hedgehog-Transkriptionsfaktors GLI. Eine erhöhte Expression der Hitzeschockproteine Hsp70 und Hsp90 konnte ebenfalls nachgewiesen werden. Durch die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit konnte erstmals gezeigt werden, dass Nifurtimox zu einem veränderten Glucose-Stoffwechsel in Neuroblastom-Zellen von der aeroben Glykolyse unter Bildung von Laktat in Richtung oxidative Phosphorylierung führt.
Versuche mit dem Antimykotikum Posaconazol konnten erstmals zytotoxische Wirkungen auf Neuroblastom-Zellen nachweisen. Die Ergebnisse zeigen, dass Posaconazol den Hedgehog-Signalweg reguliert. Weitere Untersuchungen sind notwendig, um die hier gewonnene Ergebnisse zu evaluieren und die Wirkungsweise von Posaconazol hinreichend zu klären.
In (planaren) Zellkulturbedingungen liegt das Tumor-Modell vielmehr in einer „zweidimensionalen“ Ausdehnung vor, ohne Berücksichtigung metabolischer Prozesse, die in einem gesamten (menschlichen) Organismus stattfinden würden. Rückschlüsse auf biologische Prozesse in vivo oder im Patienten bei der Behandlung mit Nifurtimox oder Posaconazol sind daher nur nach eingehender Prüfung im Tiermodell sowie in klinischen Studien möglich. Die klinische Wirksamkeit von Nifurtimox wird aktuell in einer multizentrischen Studie an pädiatrischen Patienten mit Hochrisiko-Neuroblastomen oder -Medulloblastomen durchgeführt (Saulnier Sholler, 2008a).
Nifurtimox und Posaconazol sind klinisch geprüfte, zugelassene und angewandte Medikamente und präsentieren sich hier als mögliche Kombinations-Chemotherapeutika. Eine Re-Evaluation in klinischen Studien für die Behandlung des Neuroblastoms ist jedoch notwendig, um diese Möglichkeit zu prüfen.