Inhaltszusammenfassung:
In einer Analyse des bff von 107 Fällen schwerer sexueller Übergriffe konnten anhand von Einstellungsbescheiden und Freispruchsbegründungen Strafverfolgungshindernis-se der materiellen Rechtslage bei sexualisierter Gewalt herausgearbeitet werden. Die Ausformulierung und Auslegung des Sexualstrafrechts bezogen auf Erwachsene führt systematisch dazu, dass nicht alle Fälle, in denen sexuelle Handlungen gegen den Willen einer Person geschehen, strafrechtlich verfolgt werden können.
In allen analysierten Fällen geschahen sexuelle Übergriffe gegen den eindeutigen, und dem Täter verbal zur Kenntnisse gebrachten, Willen des Opfers. Anklageerhe-bung durch die Staatsanwaltschaft oder Verurteilung durch das Gericht blieben in allen analysierten Fällen aus. Die gefundenen Strafverfolgungshindernisse lassen sich zu drei Haupterkenntnissen bündeln:
1) Täter dürfen sich wissentlich über den erklärten Willen hinwegsetzen. „Nein“ sagen reicht für eine Strafbarkeit nicht aus. 2) Die Widerstandsleistung der Betroffenen ist der zentrale Bezugspunkt für eine Strafbarkeit. Die sexuelle Selbstbestimmung muss aktiv verteidigt werden, sie ist nicht voraussetzungslos geschützt. 3) Die deutsche Rechtslage wird den realen Situationen, in denen die Übergriffe stattfinden, nicht gerecht.
Diese Erkenntnisse sind in ihren strukturellen Bedingungen untereinander, aber auch mit den gesellschaftlichen Vorstellungen von sexualisierter Gewalt und von idealtypi-schem Opferverhalten verknüpft.
Anhand der Analyse lässt sich belegen, dass das bestehende Sexualstrafrecht in Deutschland keinen ausreichenden Schutz vor sexualisierter Gewalt gegen erwachse-ne Personen bietet. Eine Veränderung der materiellen Rechtslage ist daher dringend geboten.