Inhaltszusammenfassung:
Der Begriff Eryptose beschreibt den Mechanismus des programmierten Zelltods von Erythrozyten. Merkmale der Eryptose sind die Aktivierung membranständiger kalziumpermeabler Kationenkanäle mit nachfolgendem Anstieg der intrazellulären Kalziumkonzentration, erythrozytäre Membranumlagerungen mit Aufhebung der Zellmembranasymmetrie und Phosphatidylserin (PS)-Exposition. Außerdem kann es zu einer Zellvolumenminderung durch osmotisch bedingten Ausstrom von Flüssigkeit kommen.
In dieser wissenschaftlichen Arbeit wurde der Effekt der beiden zytostatischen Medikamente Mitotan und Miltefosin auf humane Erythrozyten untersucht. Mittels in vitro Experimenten konnte nachgewiesen werden, dass beide Medikamente den Prozess der Eryptose initiieren. Mitotan und Miltefosin besitzen jeweils hämolytische Eigenschaften und können in der Therapie von Patienten Auslöser einer Anämie sein.
Die gewählten Konzentrationen von Mitotan und Miltefosin in den in vitro Experimenten lagen im niedrigen bis normalen therapeutischen Bereich der bekannten Plasmakonzentrationen in vivo. Beide Medikamente besitzen schon in geringen Konzentrationen toxische Eigenschaften gegenüber Erythrozyten in vitro. Mit Hilfe der Durchflusszytometrie konnten die charakteristischen Merkmale suizidaler Erythrozyten gemessen und dargestellt werden. Der Einfluss von Mitotan und Miltefosin auf humane Erythrozyten wurde jeweils in voneinander getrennten Versuchsreihen getestet.
Eine erhöhte intrazelluläre Kalziumkonzentration, welche mittels Fluo-3 Fluoreszenz im Durchflusszytometer gemessen wurde, konnte sowohl in den Experimenten mit Mitotan als auch mit Miltefosin nachgewiesen werden. Ein statistisch signifikanter Anstieg der Annexin V-Bindung an PS-exponierende suizidale Erythrozyten konnte ebenfalls nach Inkubation mit jeweils Mitotan und Miltefosin detektiert werden.
Das Zellvolumen der Erythrozyten wurde im Forward Scatter (FSC) Kanal gemessen. Miltefosin verursacht eine signifikante Zellschrumpfung. Zur weiteren Überprüfung von Signalwegen wurden Experimente mit hoher extrazellulärerKaliumkonzentration durchgeführt, welche der Zellschrumpfung entgegenwirkt. Die Zellschrumpfung konnte dadurch bei niedrigen Konzentrationen von Miltefosin inhibiert werden. Bei hohen Miltefosinkonzentrationen jedoch wurden weiterhin signifikant verminderte FSC-Werte gemessen, welches vermuten lässt, dass Miltefosin die Eryptose zusätzlich über andere Mechanismen stimuliert.
Mitotan hingegen inhibiert die Zellschrumpfung der Erythrozyten. Nach einer Inkubationszeit von 24 Stunden konnten keine verminderten FSC-Werte nachgewiesen werden. In Kombination mit Ionomycin, einem Eryptoseinduktor, welcher zu einer starken Zellschrumpfung führt, ergaben die Ergebnisse unter Anwesenheit von Mitotan eine Hemmung der zellulären Volumenminderung. Um Details der von Mitotan induzierten Signalwege zu ermitteln, wurden weitere Experimente durchgeführt. Im kalziumfreien Milieu unter Anwesenheit von Mitotan konnte beispielsweise ein statistisch signifikanter prozentualer Anteil an Annexin V bindenden Erythrozyten in Versuchsreihen nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse zeigen, dass Mitotan über zusätzliche Mechanismen verfügt kalziumunabhängig Eryptose auszulösen. Weitere in vitro Experimente mit den Substanzen Clotrimazol, zVAD und N-Acetylcystein ergaben, dass Mitotan weder über die Aktivierung von Kaliumkanälen, noch Caspasen oder oxidativen Stress wirkt. Statistisch signifikante Werte zeigten sich beim Anstieg des intrazellulären Kalziumgehalts und in Bezug auf die gesteigerte PS-Exposition an der Membranaußenseite der Erythrozyten nach Mitotanbehandlung in unterschiedlichen Konzentrationen.
Es konnte mittels in vitro Experimenten nachgewiesen werden, dass Mitotan und Miltefosin Auslöser des suizidalen Zelltods humaner Erythrozyten sind. Charakteristische Merkmale der Eryptose konnten unter dem Einfluss beider Medikamente im Durchflusszytometer gemessen werden. Die Ergebnisse der in vitro Forschung an humanen Erythrozyten sind nicht auf in vivo Experimente übertragbar, da hier viele weitere physiologische Faktoren auf die Erythrozyten einwirken. Deshalb bleibt zukünftiger Forschung erhalten in wie weit ein Einfluß von Mitotan und Miltefosin auf Erythrozyten in vivo besteht und in welchem Ausmaß diese beiden Substanzen bei der Entstehung von medikamenteninduzierten Anämien beteiligt sind.