Inhaltszusammenfassung:
Zur Erfassung der Alltagsauswirkung einer Acetabulumfraktur bei über 60-jährigen Patienten wurden im Rahmen einer monozentrischen Verlaufsuntersuchung Patienten nachuntersucht, die im Zeitraum vom 01. Januar 2007 bis 31. Dezember 2013 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen aufgrund einer Acetabulumfraktur konservativ oder operativ behandelt wurden und zum Zeitpunkt des Unfalls über 60 Jahre alt waren. Nach Anwendung der Ein- und Ausschlusskriterien verblieben 82 Patienten, welche in die Studie aufgenommen werden konnten. 44 dieser Patienten (sog. NU-Kollektiv) konnten mithilfe eines Datenerhebungsbogens klinisch erfasst werden. 18 Patienten dieses NU-Kollektivs konnten zusätzlich im Rahmen von Routine-Nachuntersuchungen körperlich nachuntersucht werden.
Im Durchschnitt lagen beim NU-Kollektiv 45,6±25,7 (12 – 96) Monate zwischen dem Unfall und dem Nachuntersuchungstermin. Neben einer ausführlichen Anamnese, wurden Daten über die Fraktur, die Operation, den stationären Aufenthalt sowie über den poststationären Verlauf erfasst. Zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität verwendeten wir die Fragebögen SF-12 und EQ-5D, zur Ermittlung des funktionellen Outcomes den Harris-Hip Score, WOMAC und Score nach Merle d’Aubigné und Postel.
54,9% (45/82) der Studienteilnehmer waren männlich, 45,1% (37/82) weiblich. Das Durchschnittsalter unseres Gesamtkollektivs lag bei 75,3±9,5 (60-98) Jahren. 50% (41/82) der Nachuntersuchten wiesen mindestens einen Osteoporose fördernden Faktor auf, 15,9% (13/82) hatten zum Zeitpunkt des Unfalls eine diagnostizierte Osteoporose. 59,8% (49/82) der Patienten erlitten die Acetabulumfraktur aufgrund eines Sturzes aus eigener Körperhöhe als sogenanntes Niedrigenergietrauma, 73,5% (36/49) dieser Patienten zogen sich dabei eine isolierte Fraktur der Hüftgelenkspfanne ohne Begleitverletzungen zu. Am häufigsten kam es in der Studienpopulation mit 32,9% (27/82) zu einer Fraktur des vorderen Pfeilers, gefolgt von vordere Pfeiler – hintere Hemiquerfrakturen (23,2%) und Zweipfeilerfrakturen (15,9%). 46,3% (38/82) der Verletzten wurden operativ versorgt, wobei 42,1% (16/38) mit Low-Profile-Platte versorgt wurden, 21,1% (8/38) mit einer neu entwickelten Flügelplatte, 23,7% (9/82) mit BS-Ring und anschließender HTP und 13,1% (5/38) minimalinvasiv. Die Mortalitätsrate unserer Studienteilnehmer lag bei 37,3% (28/75). 85,7% (24/28) dieser Patienten waren über 75 Jahre alt. Im Durchschnitt konnte bei den Verstorbenen nach dem Unfall eine Lebensdauer von 25,3 (0-69) Monate ermittelt werden.
Das NU-Kollektiv (N=44) erzielte im SF-12 einen durchschnittlichen Score von 45,8±9,4 (28,7-61,9) in der körperlichen Summenskala (PCS) sowie 50,1±14,1 (15,5-67,9) in der psychischen Summenskala (MCS). Im EQ-5D erzielte das Kollektiv einen Index-Wert von durchschnittlich 0,752±0,32 (-0,002-0,999). Der WOMAC Score lag im Schnitt bei 55 (0-193) Punkten, der Harris-Hip-Score bei 73±23 (13-100) Punkten und der Score nach Merle d’Aubigné und Postel bei 14,4±3,3 (7-18) Punkten.
Die Ergebnisse der Patienten mit der neu entwickelten Flügelplatte waren im Vergleich zu den Patienten mit Low-Profile-Platte, BS-Ring und anschließender HTP oder konservativer Behandlung in jedem Score besser. Minimalinvasiv therapierte Patienten erzielten ähnlich gute Ergebnisse wie die Patienten mit Flügelplatte.
Die zu beantwortende Fragestellung der Studie in Hinblick auf die Versorgungsart und möglicher neuer, der Frakturmorphologie angepasster Implantate ergab, dass die operative Versorgung mit der custom made Flügelplatte eine gute Alternative zur Behandlung einer Acetabulumfraktur im hohen Alter darstellt. Insbesondere da das Einbringen der Platte über den AIP Zugang eine weichteilschonende Alternative darstellt. Jedoch muss im Einzelfall eine Entscheidung über das Versorgungsprinzip anhand des Allgemeinzustandes, der Mobilität und der Knochenqualität des Patienten getroffen werden.
Obwohl trotz der geringen Fallzahl signifikante Ergebnisse in der Studie erzielt werden konnten, wird es in Zukunft nötig sein, für weitere valide Aussagen monozentrische Studien mit höherer Fallzahl, Metaanalysen oder multizentrische Studien durchzuführen.