Die Planung des neuen Stadtteils „Rieselfeld“ war ausschlaggebend dafür, daß die
Freiburger Polizeidirektion im Jahre 1994 an die Hochschule für Polizei in Villingen-
Schwenningen mit der Bitte herangetreten war, sie bei der kriminologischen Bewertung
der Bauleitplanung in Freiburg zu beraten. Aus diesem Anlaß und vor dem Hintergrund
der Tatsache, daß wenige tatsächlich verwertbare Studien über den Zusammenhang
von Stadtstruktur, objektiver Kriminalitätsbelastung und subjektiver Verbrechensfurcht
existieren, soll die vorliegende Arbeit die diesbzgl. Zusammenhänge in
den bisher erschienenen empirischen Studien aufzeigen sowie der Frage nachgehen,
ob und inwieweit die bereits gewonnenen Erkenntnisse bei der Planung und
Durchführung zeitlich nachgelagerter städtebaulicher Projekte verwertet und umgesetzt
worden sind.
Diese Untersuchung kann nach ihrem Umfang und ihrer Zielsetzung lediglich einen
Ausschnitt aus der grundsätzlichen Fragestellung nach einem möglichen Zusammenhang
zwischen Kriminalität als sozialtypisches Phänomen und deren Ursachen innerhalb
der baulichen Umwelt darstellen. Bewußt außer acht gelassen, weil in diesem
Rahmen nicht mehr sinnvoll darstellbar, wurde hierbei das Phänomen der strafbaren
Handlung als Ergebnis eines interaktionistischen Prozesses zwischen dem Täter und seiner sozialen Umwelt, in dem Wechselwirkungen zwischen personenspezifischen,
sozialpsychologischen und soziologischen Variablen ablaufen. Daher konnten Situationen
und Tatgelegenheiten (deren Bezugspunkt außerhalb der städtebaulichen
Struktur liegt) nicht berücksichtigt werden, die möglicherweise die Umstände dafür
begünstigen, daß sich ein Mensch sozial abweichend verhält.
Die vorliegende Arbeit soll zunächst zeigen, welche baulichen Strukturmerkmale
nach dem bisherigen Stand der Forschung bestimmte Gebiete zu bevorzugten Tatorten
werden lassen. Dabei werden einige ausgewählte kriminalgeographische Studien
der Vergangenheit unter dem Gesichtspunkt der Zielsetzung, Methodik und der Ergebnisse
einander gegenübergestellt und deren – voneinander unabhängig erzielte –
Erkenntnisse verglichen. Ferner wird unter Berücksichtigung des internationalen Forschungsstandes
der Blick auf diejenigen Lösungsansätze gerichtet, die sich die empirisch
gesicherten Erfahrungen dieses Bereiches zunutze machen.
Diese Untersuchung will sich jedoch nicht auf eine bloß deskriptive Darstellung von
bereits veröffentlichtem Schrifttum beschränken, um sich damit in die nahezu unüberschaubare
Menge der kriminalgeographischen Literatur einzureihen. Im empirischen
Teil dieser Arbeit wird daher ein neuer Weg beschritten: Ausgehend von der
kriminologisch häufig anzutreffenden Forderung, anhand von nachfolgenden Evaluationen
die Effizienz bisheriger empfohlener städtebaulicher Maßnahmen zu überprüfen,
soll u.a. betrachtet werden, ob und in welchem Umfang die aufgrund der objektiven
Kriminalitätsverteilung in kriminalgeographischen Studien gefundenen Erkenntnisse
auf der Ebene der Städteplanung und -gestaltung in die Praxis umgesetzt worden
sind. Dabei kann die vorliegende Arbeit nur ein Schritt in unbetretenes Neuland
sein; sie soll daher auch nur als einführende Übersicht verstanden werden.