Inhaltszusammenfassung:
Die vorliegende Arbeit beschreibt eine zellbiologische in vitro Methodik, mit deren Hilfe man unterschiedlichste Gesichtspunkte des humanen olfaktorischen Systems beleuchten kann. Der Bedeutung des Geruchsinns (Olfaktion) wird in der Bevölkerung und in der Forschung im Vergleich zu den anderen Sinnen, wie zum Beispiel des Sehsinns, deutlich weniger Gewicht beigemessen. Und das obwohl die Olfaktion eine große Rolle in unserem Leben spielt. Es können nicht nur in hohem Maße und nachhaltig Erinnerungen mit Gerüchen verknüpft werden, oder eine Vielzahl von angenehmen oder unangenehmen Aromen unterschieden werden, sondern auch vor Gefahr warnen, sei es Rauch eines Feuers, oder vergammeltes Essen. Zudem besitzt das olfaktorische System einige besondere Eigenschaften. Das komplette olfaktorische Epithel (OE) kann von den olfaktorischen Basalzellen (Stammzellen) erneuert werden, darunter auch die olfaktorischen Rezeptorneurone (ORN), die als Teil des zentralen Nervensystems gelten und ihre Axone direkt in den olfaktorischen Bulbus im Telencephalon projizieren. Gleichzeitig sind die ORN über die Zilien ihres Dendriten, die in die Mukosa hineinragen, in direktem Kontakt zur Umwelt. Die olfaktorischen Rezeptoren (OR) sind in diesen Zilien verankert und können dort die Odoranten (Geruchsstoffe), die durch die Nase eingeatmet werden, binden. Dadurch wird ein Signal generiert, das zu den assoziativen Zentren des Gehirns weitergeleitet wird. Es existieren bis zu 800 verschiedene OR, die von eigenen Genen kodiert werden. Dies entspricht > 1 % des menschlichen, proteinkodierenden Genoms.
Um dieses faszinierende Gebiet im Menschen genauer zu erforschen, wurde in dieser Arbeit auf humane induzierte pluripotente Stammzellen (iPSZ) zurückgegriffen. Diese werden von uns aus Keratinozyten aus gezupften Kopfhaaren reprogrammiert. Dafür wurden die Keratinozyten mit einem Lentivirus mit den vier „Yamanaka-Faktoren“ (OCT4, SOX2, KLF4, C-MYC) infiziert, die die Zellen in einen ursprünglichen pluripotenten Zustand zurückführen. Die iPSZ haben das Potential, in alle Zellen der drei Keimblätter differenzieren zu können. Die vollständige Pluripotenz wurde mit immunzytochemischen Färbungen und Keimblattdifferenzierungen nachgewiesen.
Um das OE und die zugehörigen Zellen untersuchen zu können, wurde ein Protokoll entwickelt, mit dessen Hilfe iPSZ zu Neuronen differenzieren, die unter anderem ORN und andere Zellen des OE enthalten. In dieser Arbeit wurden ORN in der olfaktorischen Differenzierung durch die Expression von OMP, NCAM2, UCHL1, GOLF, ADCY3 und TMEM16B nachgewiesen. Weiterhin wurden olfaktorische Basalzellen durch SOX2 und NGFR, olfaktorische Vorläufer und unreife ORN durch ASCL1 und CALB2, sowie Stützzellen des OE durch ECAD Expression nachgewiesen. Von allen Markern wurde die RNA-Expression zu verschiedenen Zeitpunkten ermittelt und die Proteine mit Immunfluoreszenz-Färbungen und teilweise mit Western Blot gezeigt. Für eine Quantifizierung für bestimmte Marker wurden FACS-Analysen durchgeführt.
Nach dem Nachweis der verschiedenen Marker und somit auch der olfaktorischen Zellen, wurden funktionelle Analysen durchgeführt, um zu zeigen, dass die ORN auf Duftstoffe reagieren können. Dafür wurde zunächst auf RNA-Ebene die Expression einiger ausgewählter OR (OR1A1, OR1G1, OR2J2, OR2S2, OR2W1, OR5P3, OR13C8, OR13C5) bestätigt, was die Voraussetzung einer funktionellen Reaktion auf die Odoranten ist. Die Messung der Antwort wurde mit einem Kalzium-Imaging sichtbar gemacht. Dafür wurde die olfaktorisch differenzierten mit einem Fluorophor inkubiert, die nach Bindung mit Ca2+-Ionen ein grünes Fluoreszenzsignal entsenden, das mit einem Fluoreszenzmikroskop detektiert werden konnte. Den Zellen wurde hierfür ein Odorantenmix zugefügt und die Reaktion der Zellen konnte durch deren Aufleuchten erkannt und aufgezeichnet werden.
Es wurde also gezeigt, dass mit diesem Protokoll aus iPSZ eine Neuronenkultur differenziert werden konnte, in der funktionelle ORN und andere Zelltypen des OE vorkommen. Für weitere Untersuchungen, wie zum Beispiel Odorant-Rezeptor-Interaktionen oder entwicklungsbiologische Studien, muss das Protokoll soweit verbessert werden, dass die Anzahl der ORN deutlich zunimmt. Dann können auch Patienten-Analysen vorgenommen werden, indem iPSZ von Anosmie-Patienten generiert werden und diese zu ORN differenziert werden.