dc.description.abstract |
Die Sentinel-Lymphknotenbiopsie ist ein etabliertes Verfahren zur Nodal-statusbestimmung bei Mammakarzinom. Sind die Sentinel-Lymphknoten tumorfrei, kann auf die Axilladissektion verzichtet werden. Dieses Verfahren führte zu einer signifikanten Reduktion der Morbidität und der Verbesserung der Lebensqualität. Es stellt sich jedoch die Frage nach dem optimalen Vorgehen im Fall von positiven Sentinel-Lymphknoten. Die aktuellen Empfehlungen der S3-Leitlinie besagen, dass im Falle von positiven Sentinel-Lymphknoten eine Axilladissektion angezeigt ist. Da nur 30 – 50 % der SLN-positiven Patientinnen Non-Sentinel-Lymphknotenmetastasen aufweisen werden bis zu 70% der Patientinnen mit positiven SLN übertherapiert und müssen ggf. erhebliche daraus resultierende Komplikationen tragen, wie Sensibilitätsstörungen, Schmerzen, Lymphödem und Einschränkungen der Beweglichkeit und der Kraft. Nach Stand der aktuellen S3-Leitlinie kann bei Patientinnen mit T1/T2 Tumor und einem Befall von höchstens zwei Sentinel-Lymphknoten bei einer brusterhaltenden Therapie mit anschließender Tangentialbestrahlung auf eine Axilladissektion verzichtet werden. Die Leitlinie kritisiert jedoch, dass die Patientengruppe nicht ausreichend definiert ist, und weist auf die Verwendung von Nomogrammen hin. In der Literatur sind Prädiktionsmodelle beschrieben, welche die Wahrscheinlichkeit der Non-Sentinel-Lymphknotenmetastasen voraussagen. Für die deutsche Population ist jedoch bisher kein Modell erstellt worden. Es wurden retrospektiv Daten von 3005 Patientinnen erfasst, welche in den Jahren 2005 - 2011 an der Universitätsfrauenklinik Tübingen bei invasivem Mammakarzinom eine Sentinel-Lymphknotenbiopsie erhielten. Daten von 1750 Patientinnen, welche in den Jahren 2005-2009 operiert wurden, ergaben das Etablierungskollektiv, das der Erstellung der Regressionsmodelle diente, Daten von weiteren 1255 Patientinnen, welche in den Jahren 2010 und 2011 operiert wurden, ergaben das Validierungskollektiv, anhand dessen die externe Validierung durchgeführt wurde. Von insgesamt 2146 eingeschlossenen Patientinnen (1258 im Etablierungskollektiv und 888 im Validierungskollektiv) hatten 470 Patientinnen positive Sentinel-Lymphknoten (295 im Etablierungskollektiv und 175 im Validierungskollektiv). Daten der Sentinel-Lymphknoten-positiven Patientinnen wurden statistisch ausgewertet. Zur Erstellung des Regressionsmodells wurde mit Hilfe der univariaten Analyse untersucht, welche Merkmale die Non-Sentinel-Lymphknoten-Positivität signifikant beeinflussen. Es wurde ein Signifikanzniveau von 5% festgelegt. Folgende Merkmale beeinflussen signifikant die Non-Sentinel-Lymphknoten-Positivität: Tumorgröße, Anzahl positiver Sentinel-Lymphknoten, Anzahl entnommener Sentinel-Lymphknoten, Anteil positiver Sentinel-Lymphknoten, Sentinel-Lymphknotenmetastasengröße (Mikro- vs. Makrometastase), Sentinel-Lymphknotenmetastasengröße in cm, Lymphangiosis carcinomatosa, Multizentrizität, Kapseldurchbruch. Des Weiteren wurden folgende Merkmale in die multivariate Analyse aufgenommen: histologischer Tumortyp, Differenzierungsgrad (Grading), Östrogenrezeptor-Status, Progesteronrezeptor-Status und Her2-Status. Mit Hilfe der logistischen Regression wurden drei Formeln zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit für Non-Sentinel-Lymphknotenmetastasen bei Sentinel-Lymphknoten-positiven Patientinnen erarbeitet. Als am besten geeignet zeigte sich das Regressionsmodell mit 6 Merkmalen. Das Modell beinhaltete folgende Merkmale: maximale Karzinomgröße, Anteil positiver Sentinel-Lymphknoten, Metastasengrößeneinteilung Makro- versus Mikrometastase, Lymphangiosis carcinomatosa, Multizentrizität und Kapseldurchbruch. Das entstandene Modell zeigte beim Etablierungskollektiv ein AUC von 0.75 [0.70, 0.81] und beim Validierungskollektiv 0.73 [0.65, 0.81] auf. Darüber hinaus wurden folgende drei Prädiktionsmodelle zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit für Non-Sentinel-Lymphknotenmetastasen untersucht und miteinander verglichen: MSKCC Nomogramm, Stanford Nomogramm und Cambridge Modell. Anschließend wurden die drei untersuchten Prädiktionsmodelle und das Tübinger Regressionsmodell anhand eines Validierungskollektivs evaluiert. Der AUC-Wert des Cambridge Modells betrug 0.63 [0.57, 0.69] für das Etablierungskollektiv und 0,64 [0.52, 0.76] für das Validierungskollektiv. Dieses Modell zeigte sich daher als nicht dafür geeignet, die Wahrscheinlichkeit für Non-Sentinel-Lymphknotenmetastasen vorauszusagen. Für das Stanford Nomogramm wurde der AUC-Wert von 0.70 [0.65, 0.74] für das Etablierungskollektiv und 0.66 [0.58, 0.73] für das Validierungskollektiv ausgerechnet. Damit ist es zwar ein geeignetes, jedoch nur das zweitbeste Nomogramm. Das MSKCC Nomogramm lieferte den höchsten AUC-Wert von 0.73 [0.68, 0.77] für das Etablierungskollektiv und 0.73 [0.66, 0.80] für das Validierungskollektiv. Von den drei untersuchten Prädiktionsmodellen zeigte es sich somit als das geeignetste zur Berechnung der Non-Sentinel-Lymphknotenmetastasen. Tübinger Regressionsmodelle mit elf und sechs Variablen stellen ein Instrument dar, welches mit einer guten Wahrscheinlichkeit die Non-Sentinel-Lymphknoten-Positivität voraussagt. Sie sind auf die Daten der deutschen Population bezogen und somit am besten an diese angepasst. Des Weiteren besitzt das MSKCC Nomogramm eine gute Voraussagekraft und ist damit für die Berechnung der Non-Sentinel-Lymphknotenmetastasen ebenfalls geeignet. |
de_DE |