Der relative Alterseffekt im deutschen Nachwuchsfußball

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Zitierfähiger Link (URI): http://hdl.handle.net/10900/77658
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-776587
http://dx.doi.org/10.15496/publikation-19059
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2017
Sprache: Deutsch
Fakultät: 6 Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
Fachbereich: Sportwissenschaft
Gutachter: Höner, Oliver (Prof. Dr.)
Tag der mündl. Prüfung: 2017-07-21
DDC-Klassifikation: 796 - Sport
Schlagworte: Fußball , Begabung , Nachwuchsförderung , Deutscher Fußball-Bund , Talentsuche , Stichtag
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

Der relative Alterseffekt (RAE) beschreibt eine Überrepräsentation relativ älterer, kurz nach dem Stichtag für die Altersklasseneinteilung geborener Kinder und Jugendlicher in Nachwuchsfördersystemen. Ein RAE entsteht, wenn relativ Ältere aufgrund ihres chronologischen Altersvorteils häufier als talentiert eingeschätzt und folglich bei Talentselektionsmaßnahmen bevorzugt für eine intensivere Förderung auf höhere Selektionsniveaus (lokale, regionale und nationale Auswahlkader) ausgewählt werden. Die Mechanismen dieses systematischen Selektionseffekts und die Auswirkungen weiterer Einflussfaktoren auf das Ausmaß des Effekts gelten trotz zahlreicher empirischer RAE-Studien als nicht ausreichend erforscht. Hervorgehoben wird die Notwendigkeit einer umfassenden Ursachenforschung durch die seit Jahrzehnten unveränderte Verbreitung des RAE in der Praxis, trotz der Kenntnis seiner negativen Folgen für die Talentförderung. Vor diesem Ausgangspunkt ist es Ziel der vorliegenden Dissertation, die Ursachen der RAE-Entstehung im Nachwuchsfördersystem des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) zu erforschen, um darauf aufbauend gezielte und realisierbare Interventionsmaßnahmen für die Praxis abzuleiten. Auf Basis eines theoretischen Modells von Individuums-, Aufgaben- und Umweltbedingungen der RAE-Entstehung werden in der Dissertation zwei empirische Studien zum RAE im Nachwuchsfördersystem des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) vorgestellt. In der ersten Studie wird die Beziehung der individuellen RAE-Bedingungen relatives Alter, körperliche Reife und motorische Leistungsfähigkeit analysiert. Die Studie untersucht 10.130 Spieler der Altersklassen U12 bis U15 auf der ersten Ebene systematischer Talentselektion im DFB-Stützpunktprogramm. Zentrales Ergebnis der Studie ist, dass nahezu keine motorischen Leistungsunterschiede zwischen relativ älteren und relativ jüngeren Nachwuchstalenten bestehen. Zudem zeigt ein Vergleich der untersuchten Spieler mit durchschnittlich zu erwartenden körperlichen und motorischer Entwicklungskurven, dass ausgewählte relativ jüngere Nachwuchstalente nicht körperlich akzeleriert sind, für ihr Alter aber motorisch besonders begabt sein müssen, um als Talente ausgewählt zu werden. In der zweiten Studie wird anhand der Geburtsdaten von 35.390 Nachwuchstalenten die Veränderung des RAE innerhalb der Umweltstruktur des Nachwuchsfördersystems untersucht. Unter der Grundannahme, dass RAE-Veränderungen bei Talentselektionsprozessen zwischen aufeinanderfolgenden Selektionsniveaus und Altersklassen geschehen, werden querschnittliche RAE-Unterschiede zwischen vier aufeinanderfolgenden Selektionsniveaus und acht Altersklassen untersucht. Zudem wird die längsschnittliche Veränderung des RAE bei Nachwuchsspielern analysiert, die bei Talentselektionsprozessen erstmalig für das nächsthöhere Selektionsniveau oder für die nachfolgende Altersklasse desselben Selektionsniveaus ausgewählt werden. Bei der querschnittlichen Analyse stellt sich heraus, dass das RAE-Ausmaß über die vier aufsteigenden Stufen der Talentselektion im DFB-Nachwuchsfördersystem stetig zunimmt (Geburtenanteil erste Jahreshälfte: Stützpunktprogramm ≈60%, Leistungszentrum ≈69%, Verbandsauswahl ≈72% und Jugendnationalmannschaft ≈75%). Zwischen den Altersklassen zeigen sich geringfügig ansteigende RAEs von der U12 bis zur U15 in den Stützpunkten und Leistungszentren mit einem anschließenden geringfügigen Rückgang bis zur U19 in Leistungszentren, Verbandsauswahlteams und Jugendnationalmannschaften. Die Längsschnittanalyse der RAE-Veränderung bei Talentauswahlprozessen offenbart eine Zunahme des RAE-Ausmaßes bei erstmalig für höheres Selektionsniveau ausgewählten Spielern und keine RAE-Änderungen bei Spielern, die auf demselben Selektionsniveau in die nächsthöhere Altersklasse übernommen wurden. Damit wird deutlich, dass die zeitliche RAE-Entwicklung ein komplexer, sich verstärkender Effekt eines mehrfach gestuften Talentselektions- und Talentförderungsprozesses ist, der von den Umweltbedingungen eines Nachwuchsfördersystems beeinflusst wird. Die Erkenntnisse aus den beiden empirischen Studien liefern ein tieferes Verständnis der Bedingungen bei der RAE-Entstehung und werden in der Dissertation dafür benutzt, Vorschläge für Interventionsmaßnahmen zur Reduktion des RAE im DFB-Nachwuchsfördersystem zu entwickeln.

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