Inhaltszusammenfassung:
Die fetale Magnetenzephalographie (fMEG) bietet erstmalig die Möglichkeit fetale Hirnfunktionen nichtinvasiv abzuleiten. Mit Hilfe von auditorisch und visuell evozierten Potentialen ist es möglich die funktionelle Hirnentwicklung direkt zu überwachen. Dies könnte die bisherigen Überwachungsmethoden bei wachstumsretardierten (IUGR) Feten sinnvoll ergänzen. Die häufigste Ursache einer IUGR ist die uteroplazentare Insuffizienz. Neben einer erhöhten perinatalen Mortalität und Morbidität ist auch das Risiko für eine neurologisch- kognitive Entwicklungsstörung bei IUGR- Feten im Vergleich zu gesunden Feten erhöht. Da es bis heute keine wirkungsvolle Therapie gibt, ist die Überwachung dieser Feten umso wichtiger, um sie bei drohender Dekompensation zum richtigen Zeitpunkt zu entbinden.
In der vorliegenden Arbeit ist erstmalig ein Unterschied der funktionellen Hirnentwicklung bei IUGR- Feten in Abgrenzung zu konstitutionell kleinen Feten untersucht worden. Die Studie verglich mittels magnetenzephalographischer Messungen die Latenzzeiten visuell und auditorisch evozierter Hirnpotentiale von 16 hypotrophen Feten ab der 28. Schwangerschaftswoche mit einem Normkollektiv. Die Gruppe der hypotrophen Feten wurde dabei in acht hypotrophe Feten mit einer dopplersonographisch nachgewiesenen Plazentainsuffizienz (IUGR) und acht konstitutionell hypotrophe Feten ohne Plazentainsuffizienz (SGA) unterteilt. Diese Unterscheidung ist sinnvoll, da SGA-Feten im Vergleich zu IUGR-Feten eine sehr gute Prognose haben. Für alle Messungen wurde das Verhaltensstadium des Feten nach Nijhuis et al. (1982) bestimmt. Ziel dieser Studie war es, verzögerte Latenzzeiten evozierter Hirnantworten bei IUGR- Feten im Vergleich zum Normkollektiv nachzuweisen und zu zeigen, dass bei SGA- Feten dieser Unterschied der Latenzen zum Normkollektiv nicht besteht. Dies ist Grundlage, um die fetale Magnetenzephalographie für das Monitoring einer verzögerten Hirnfunktionsreife zu etablieren. Parallel dazu wurde durch eine longitudinale Messreihe mit 58 Messungen von 19 eutrophen Feten eine Normdatenbank initiiert.
Die IUGR-Feten zeigten tatsächlich längere Hirnantwortlatenzen auf auditorische und visuelle Stimulation als die Kontrollfeten. Bei Tonstimulation erwies sich dieser Unterschied als statistisch signifikant. Die Latenzzeiten der SGA- Feten auf Lichtstimulation waren mit der Kontrollgruppe vergleichbar. Bei Tonstimulation zeigten sie jedoch ebenfalls signifikant längere Latenzzeiten. Dieser Unterschied beruht möglicherweise auf einem Bias durch ungleiche Verteilung der fetalen Verhaltensstadien in den beiden Vergleichsgruppen. Bei den Feten der SGA- Gruppe wurde im Schnitt aktiveres Verhalten nachgewiesen als bei den Kontrollfeten. Da aktiveres Verhalten mit kürzeren Latenzzeiten auf Stimuli einhergeht, könnte dies zu einer Verzerrung der Daten geführt haben. Bisher ungeklärt ist auch ein möglicherweise unterschiedlicher Effekt der beiden Stimulationsarten auf die Latenzzeiten von Hirnantworten, die Stimulationsart als solche könnte einen weiteren Einfluss darstellen.
In Anbetracht der klinischen Bedeutsamkeit sind weitere Studien, die auf dieser Arbeit aufbauen, sinnvoll, um mögliche Einflussfaktoren, wie das fetale Verhaltensstadium oder die Stimulationsart, zu evaluieren und die bereits intrauterin nachgewiesene verzögerte Hirnfunktionsentwicklung bei IUGR- Feten an größeren Kollektiven inklusive Follow- ups weitergehend zu untersuchen. Es gilt herauszufinden, ob eine verzögerte Hirnantwort in den Risikokollektiven ein Marker für spätere neurologische oder kognitive Entwicklungsverzögerungen ist. Dies wäre von großer klinischer Relevanz, um einerseits die betroffenen Eltern besser beraten zu können und andererseits den Kindern gezielte Frühfördermöglichkeiten anbieten zu können.