Inhaltszusammenfassung:
Im Verlauf der Parkinson Erkrankung (PD) ist die Entwicklung einer Parkinsondemenz (PDD) häufig. Im Hinblick auf therapeutische Möglichkeiten ist die frühe Diagnosestellung der PDD wichtig. Für die Differenzialdiagnostik zwischen der PDD und dem Vorstadium PD-MCI (PD mit leichter kognitiver Beeinträchtigung) ist entscheidend, ob kognitiv bedingte Beeinträchtigungen der Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) vorliegen. Für diese Beurteilung werden vorrangig Angaben von den Patienten und deren Angehörigen herangezogen. Diese subjektiven Einschätzungen können jedoch ungenau sein und lassen nur eingeschränkt auf die zugrunde liegenden Ursachen der Verhaltensänderungen schließen. Die vorhandenen objektiven Testmethoden sind jedoch zeit- und kostenintensiv und wenig verbreitet. Die Anwendung von Bewegungssensoren stellt eine neue, kostengünstige und objektive Methode dar, das Bewegungsprofil von Patienten im häuslichen Umfeld über einen längeren Zeitraum zu erfassen. Da epidemiologische Studien bei älteren Probanden einen Zusammenhang zwischen der ADL-Funktion und dem Bewegungsprofil aufzeigen konnten, stellt sich die Frage nach dem Potential dieser Methode für die Differenzialdiagnostik der PDD. Über das objektiv gemessene ambulante Bewegungsprofil von kognitiv eingeschränkten PD Patienten gibt es jedoch bislang kaum Erkenntnisse. Die hier vorgestellte Pilotstudie untersuchte, ob sich das objektiv gemessene Bewegungsprofil zwischen PD Patienten mit beeinträchtigten ADL-Funktionen (PDD) im Vergleich zu den anderen kognitiven Subgruppen PD-MCI und PD ohne kognitive Beeinträchtigung (PD-NC) unterscheidet. Zur Validierung des Bewegungssensors wurde in einem ersten Schritt untersucht, ob sich das Bewegungsprofil aller PD Patienten (PD Total) von dem Bewegungsprofil von älteren Personen ohne neurodegenerative Erkrankung (Kontrollpersonen, KO) in den in der Literatur beschrieben Charakteristika unterscheidet. Insgesamt nahmen 55 PD Patienten und 18 Kontrollpersonen an dieser Studie teil. Basierend auf einer neuropsychologischen Testung und einem personalisierten Interview zur Beurteilung der ADL wurden die Patienten einer der drei kognitiven Subgruppen (PDD, PD-MCI und PD-NC) zugeordnet. Neben den demographischen Charakteristika wurden der motorische Schweregrad der PD und die depressive Symptomatik erfasst. Alle Probanden trugen den ambulanten Bewegungssensor (Dynaport Minimod®) für maximal 3 Tage. Messungen wurden ausgeschlossen (komplett oder einzelne Messtage), sofern die registrierte Messzeit <24 h oder die Tragezeit <19 h 20 min pro Tag betrug. Aufgrund des Datenniveaus wurden nicht parametrische Verfahren angewandt (z.B. Mann-Whitney-U-Tests, ordinale logistische Regression). Zum Vergleich der kognitiven Subgruppen wurden die Schwere der motorischen und depressiven Symptomatik als Kovariaten in dem statistischen Modell berücksichtigt. Aufgrund der oben definierten Kriterien wurden Messungen von neun Probanden (2 KO, 4 PD-NC, 1 PD-MCI, 2 PDD) ausgeschlossen. Somit gingen Daten von 48 PD Patienten und 16 Kontrollpersonen mit durchschnittlich 2.05 Messtagen in die Analysen ein. Die Untersuchungsgruppen unterschieden sich hinsichtlich der gemessenen Tragezeit des Bewegungssensors oder der ausgeschlossenen einzelnen Messtage statistisch nicht voneinander (P > 0.05). Die bisherigen Erkenntnisse zum ambulanten Bewegungsprofil von PD Patienten konnten bestätigt und ergänzt werden: Die PD Patienten zeigten ein inaktiveres Bewegungsprofil (P < 0.05) und unterschieden sich in einzelnen Parametern des zeitlichen Verteilungsmusters des aktiven physischen Verhaltens von den Kontrollpersonen (P<0.05). Der Vergleich der kognitiven Subgruppen ergab Hinweise darauf, dass Parameter des zeitlichen Verteilungsmusters von inaktivem physischen Verhalten die PDD Gruppe von den anderen kognitiven Subgruppen abgrenzte: Patienten saßen weniger oft aber dafür verweilten sie jeweils länger in dieser sitzenden Position (P < 0.05). In dieser Arbeit wurde erstmalig das ambulante Bewegungsprofil von PDD Patienten untersucht. Unsere Ergebnisse belegen, dass der Bewegungssensor auch in späten PD Stadien angewendet werden kann. Als unterscheidendes Merkmal zwischen PD-MCI (ohne ADL-Beeinträchtigung) und PDD (mit ADL-Beeinträchtigung) wurde das Verteilungsmuster des Sitzverhaltens identifiziert. Im Gegensatz zu dem vermindertem Volumen aktiver physischer Verhaltensweisen und der geringeren Intensität des Bewegungsprofils, die sich bei PD Patienten im Allgemeinen zeigen, deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass das Verteilungsmuster des inaktiven physischen Verhaltens den kognitiven ADL-Aspekt, also die seltenere Initiierung von neuen Handlungsabläufen, wiederspiegelt. Durch die objektive Abbildung dieser kognitiv bedingten ADL-Beeinträchtigung könnte die untersuchte Methode die Differenzialdiagnostik der PDD verbessern und somit frühere Interventionen ermöglichen.