Inhaltszusammenfassung:
Unsere Studie untersuchte die elektrophysiologischen und gangkinematischen
Parameter gesunder Kontrollpersonen im Vergleich zu Patienten mit M. Parkinson (IPS) und Tiefer Hirnstimulation (THS). Dabei sollten einmal die Unterschiede zwischen Patienten ohne Stimulation und gesunden Menschen herausgearbeitet werden, um auf diese
Weise ein vertieftes Verständnis über die Pathophysiologie des Morbus
Parkinson zu erlangen. Zum anderen sollte untersucht werden, inwiefern diese
elektrophysiologischen Parameter durch Stimulation des Nucleus subthalamicus (STN), beziehungsweise der Substantia nigra pars reticularis (SNr) moduliert
werden. Dadurch erhofften wir uns neue Erkenntnisse über die Funktionsweise
der THS und die pathophysiologischen Korrelate des M. Parkinson. Da unsere
Messelektronik komplett mobil einsetzbar war, konnten wir unsere Daten
während normaler Fortbewegung im Raum erheben.
Gesunde Menschen wiesen im Schrittfrequenzbereich von 1,5-2Hz während
des Gehens deutlich höhere kortikale und muskuläre Aktivität und Kohärenz (CMC) als
Patienten ohne Stimulation auf. Die CMC in diesem Frequenzbereich kann
durch unsere Analysen als genuine CMC gewertet werden. Die Effekte in STN
betrafen vor allem CMC und Muskelaktivität im Schrittfrequenzbereich, hier
näherten sich die Werte den physiologischen Werten gesunder
Kontrollprobanden an.
Kortikale und muskuläre Aktivität dominierte während des Gehens bei
Parkinson-Patienten in Alpha- (7-9Hz) und Betafrequenzen (18-22Hz)
gegenüber gesunden Menschen. Kortikale Alpha-und Beta-Power wurde
während des Gehens durch STN, nicht aber durch SNr abgeschwächt.
Wir konnten des Weiteren signifikant positive Einflüsse sowohl in STN, als auch
in SNr auf die motorischen UPDRS-Ergebnisse und die Gangkinetik von
Patienten mit M. Parkinson nachweisen.
Unsere Ergebnisse legen die Vermutung nahe, dass CMC im Bereich der
Schrittfrequenz als Parameter einer funktionierenden gangmotorischen Schleife
und effektiver kortikomuskulärer Gangintegration beim gesunden Menschen
gesehen werden kann. Diese Schleife könnte physiologischerweise
basalganglionär moduliert werden. Bei Patienten mit M. Parkinson könnten
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diese modulierenden Einflüsse pathologisch verändert sein, was dann zur
Entstehung unphysiologisch hoher kortikaler Alpha-und Betapower führt. Dies
könnte in Zusammenhang mit verminderter kortikomuskulärer Gangintegration
auf Schrittfrequenzebene und Entwicklung eines parkinsontypischen
bradykinetischen Gangbildes stehen. Basalganglionäre und kortikale
gangmotorisch relevante Netzwerke werden möglicherweise durch THS
teilweise wieder hergestellt, woraus sich dann eine verbesserte Gangkinetik der
Patienten ergibt.
Unsere Arbeit beleuchtet möglicherweise neue Aspekte der Pathophysiologie
von Gangstörungen und deren Therapie durch THS bei Parkinson-Patienten.
Unsere Ergebnisse könnten damit zur Entwicklung neuer Stimulationsoptionen
und verbesserter individualisierter Therapieansätze beitragen.