Inhaltszusammenfassung:
Die optimale Lagerungstechnik für neurochirurgische Eingriffe in der hinteren Schädelgrube wird in der Literatur vielfach diskutiert und weltweit unterschiedlich gehandhabt. Zahlreiche Studien analysierten den Einfluss der Lagerung auf das Auftreten einer venösen Luftembolie. Allerdings waren die meisten Studien so konzipiert, dass ein direkter Vergleich der verschiedenen Lagerungsarten nicht möglich war.
Ziel der hier vorliegenden Studie ist es, den Einfluss der intraoperativen Patientenlagerung auf die Häufigkeit der venösen Luftembolie bei neurochirurgischen Eingriffen in der hinteren Schädelgrube zu untersuchen. Um diese Fragestellung zu beantworten, wurden in dieser Studie die Lagerungsarten Rückenlage und halbsitzende Position in Bezug auf die Inzidenz von intraoperativen Luftembolien direkt miteinander verglichen. Die Detektion der Luftembolien erfolgte bei allen Eingriffen mittels kontinuierlicher TEE–Überwachung. Die Diagnose einer Luftembolie wurde bei sichtbaren Luftblasen im TEE–Monitoring gestellt. Über die Art der intraoperativen Lagerung entschied allein der operierende Neurochirurg nach einer individuellen Risiko–Nutzen–Abwägung.
Im Rahmen der Luftembolieerfassung wurden folgende Daten erhoben: Zeitpunkt des Luftembolieereignisses im Operationsverlauf, Vitalparameter während des bemerkten Lufteintritts, mögliche Ursachen (Lufteintritt während der Kraniotomie, sichtbar verletztes Blutgefäß), gefundene Lufteintrittsstelle durch Jugularvenenkompression und ob eine Luftaspiration über den liegenden ZVK durchgeführt wurde.
Zur Auswertung wurden die detektierten Luftembolieereignisse anhand der Veränderungen der Vitalparameter nach dem „Tübinger–Schema“ in die Schweregrade I bis IV eingeteilt. Zur Testung auf signifikante Unterschiede in der Häufigkeit der Luftembolien in Abhängigkeit zur Patientenlagerung wurde der Chi–Quadrat Test verwendet.
Insgesamt wurden 137 Patienten in die Studie eingeschlossen, die sich im Zeitraum von 01.01.2014 bis 13.04.2015 einem elektiven neurochirurgischen Eingriff in der hinteren Schädelgrube unterzogen. Dabei wurden 13,9 % der Patienten in Rückenlage und 86,1 % in halbsitzender Position operiert. In halbsitzender Position traten signifikant häufiger Luftembolien auf als in Rückenlage (56 % (66 Patienten) vs. 11 % (2 Patienten); p < 0,001). Jedoch hatte die Mehrheit dieser Ereignisse in halbsitzender Position keine primäre Auswirkung auf die messbaren Vitalparameter (Schweregrad I 86 % (57) vs. Schweregrad II + III 14 % (9); p < 0,001). Der MAP in halbsitzender Position war zum Zeitpunkt der ersten Luftembolie VAE 1 signifikant geringer als bei Luftembolien in Rückenlage (p = 0,04). Aufgrund der geringen Fallzahl in Rückenlage konnte der genaue Einfluss des MAP auf das Auftreten einer Luftembolie in dieser Studie nicht abschließend geklärt werden. Die detektierten Luftembolieereignisse wurden überwiegend im ersten Viertel der Operationen nachgewiesen. Todesfälle traten in beiden Gruppen nicht auf.
Die Zusammenschau der Studienergebnisse zeigt, dass Patienten in halbsitzender Position, im Vergleich zur Rückenlage, ein erhöhtes Risiko für eine venöse Luftembolie haben. Jedoch ist nicht jede detektierte Luftembolie von klinischer Relevanz. Zudem scheint das Risiko einer Luftembolie besonders zu Beginn der Operation, während der Kraniotomie, erhöht zu sein. Folglich sollte überlegt werden, in Zukunft die Schädeleröffnung in Rückenlage durchzuführen. Zur Resektion des Tumors könnte der Patient in die halbsitzende Position gebracht werden, sodass der Neurochirurg von den Vorteilen der halbsitzenden Position profitieren würde. Diese These muss jedoch in weiteren Studien untersucht werden.