Inhaltszusammenfassung:
Der okulomotorische Vermis (OMV) des Kleinhirns ist in die Ausführung von schnellen Augenbewegungen (Sakkaden) involviert. Der posteriore parietale Cortex (PPC) und verschiedene andere in die Planung und Ausführung von Sakkaden involvierte frontale Regionen des Gehirns projizieren über die Nuclei pontes dorsales in den OMV. Während eine Sakkade zu einer bestimmten Lokalisation im Raum – angegeben in retinalen Koordinaten – ausgeführt wird, produzieren Neurone im PPC in der lateralen intraparietalen Region (LIP) sakkadenkorrelierte gesteigerte Entladungsraten („Bursts“), die durch einen Verstärkungsfaktor (sog. „Gain Factor“) moduliert werden, dessen Größe linear von der Startposition der Augen abhängig ist (Andersen et al., 1990). Die neuronale Entladung variiert somit im linearen Zusammenhang mit der horizontalen und vertikalen Augenposition, was als „Gain Field“ (Verstärkungsfeld) bezeichnet wird. Gain Fields stellen einen effizienten Lösungsansatz der neuronalen Kodierung zur Umwandlung eines retinalen Bezugssystems in einen externen Bezugsrahmen dar (Salinas und Thier, 2000). Ob die sakkadenkorrelierten Simple-Spike-Entladungen der Purkinjezellen (PC) im OMV augenpositionsabhängig sind, ist das Hauptthema dieser Arbeit. Hierzu wurden Einzelzellableitungen an 58 PCs dreier Affen der Gattung Macaca mulatta durchgeführt, während sie 10°-Sakkaden mit konstanter Amplitude von neun verschiedenen Augenpositionen in acht verschiedene Richtungen pseudorandomisiert durchführten. 94% der PCs zeigten eine Vorzugsrichtung des Bursts, der Pause oder der beiden zusammen. 33% der PCs zeigten eine augenpositionsabhängige Spontanaktivität. Nach einer multiplen Regressionsanalyse mit der Sakkadenmetrik als Regressor konnte bei 37% der PCs ein sakkadenkorrelierter Augenpositionseffekt vorgefunden werden. Die Hälfte dieser PCs mit Augenpositionseffekt glich den Gain Fields im LIP. Sie scheinen jedoch ein Residuum der vom Hirnstamm weitergeleiteten Signale zu sein, da die restlichen Augenpositionseffekte idiosynkratischer Natur waren und keinem bestimmten, sich wiederholendem Entladungsmuster zugeordnet werden konnten. Es ist somit unwahrscheinlich, dass die Simple-Spike-Entladungen einzelner PCs im Sinne eines Gain Fields fungieren, das für eine Koordinatentransformation im Andersen’schen Sinne (1990) genutzt werden könnte. Nur 2 von 18 Purkinjezellen besaßen eine unterschiedliche Entladungslatenz hinsichtlich der Augenposition. Das Ergebnis einer vergleichbaren zeitlichen Abstimmung der Simple-Spike-Entladungen an den neun unterschiedlichen Augenpositionen entspricht den jüngsten Theorien über Purkinjezellen des OMV, dass sie für den zeitlichen Ablauf der Sakkade zuständig sind (Thier et al., 2000, Herzfeld et al., 2015).