Inhaltszusammenfassung:
:Der endolymphatische Sack (ES) formt eine Erweiterung des membranösen Labyrinths und ist im Felsenbein bzw. mit seinen distalen Ausläufern in einer Duraduplikatur lokalisiert. Der ES steht dabei mit den anderen Anteilen des Innenohres wie der Kochlea und dem Vestibularorgan über den endolymphatischen Dukt (ED) in Verbindung. Es wird angenommen, dass ED und ES eine Rolle in der endolymphatischen Flüssigkeits- und Ionenregulation einnehmen, allerdings sind die exakten Mechanismen in den unterschiedlichen Anteilen des ED und ES bei diesem Prozess noch nicht hinreichend verstanden. Es ist allgemein bekannt, dass die Flüssigkeits- und Ionenhomöostase sowohl über trans- als auch parazelluläre Mechanismen des involvierten Epithels gesteuert wird. Bislang wurde bereits eine breite Palette an Kanälen und Transportern im ES Epithel identifiziert, die möglicherweise die transzelluläre Komponente der Flüssigkeits- und Ionenhomöostase vermitteln. Im Gegensatz dazu ist nur sehr wenig über die Mechanismen bekannt, die dem parazellulär vermittelten Anteil der Flüssigkeits- und Ionenhomöostase des ED und ES zugrunde liegen. Pionierarbeiten aus den 1980er Jahren wie beispielsweise elektronenmikroskopische Analysen von Gefrierbrüchen oder Lanthanum Injektionsexperimete konnten bereits zeigen, dass der ED sowie die proximalen ES Anteile (PSP) deutlich weniger TJ Versiegelungsstränge und eine höhere Permeabilität für bestimmte Ionen im Vergleich zu den distalen ES Abschnitten (DSP) aufweisen. Das erste Ziel im Rahmen dieser Studie bestand somit darin, die Daten zum ultrastrukturellen Erscheinungsbild von TJs im ED und ES mittels transmissionselektronenmikroskopischen (TEM) Studien zu reproduzieren und im Rahmen einer feinen Differenzierung zwischen unterschiedlichen ES Abschnitten noch weiter auszubauen. Tatsächlich konnten in der DSP TJ mit komplexerem Erscheinungsbild und einer größeren Anzahl von membranären „Kissing Points“ identifiziert werden, während im ED häufig seichte TJ mit zum Teil gar fehlenden membranären Berührungspunkten detektierbar waren. Abgesehen von einigen kleineren Studien, die die mRNA Expression von einigen Claudin Familienmitglieder im ES charakterisiert haben, gibt es bisher kaum Daten, die die Unterschiede im ultrastrukturellen Erscheinungsbild der TJ oder die Rolle von parazellulären Mechanismen bei der endolymphatischen Flüssigkeits- und Ionenhomöostase näher beleuchten. Da die Claudine mit ihren knapp 30 Familienmitgliedern als entscheidende Komponenten des molekularen Aufbaus von TJ sowie des parazellulären Flüssigkeits- und Ionentransports beschrieben wurden, wurde im folgenden Schritt ein Hochdurchsatz qPCR- Screen zur Identifizierung der im Epithel des ED und ES exprimierten Claudine angesetzt. Dabei konnten Claudin 3, 4, 6, 8, 10 und 16 sowohl im ED als auch ES auf mRNA Ebene detektiert werden. Aus zahlreichen Studien ist es jedoch auch hinreichend bekannt, dass die mRNA Expression häufig nicht mit der tatsächlichen Proteinexpression korreliert. Im nächsten Schritt konnten daher mittels Immunfluoreszenzmikroskopie nicht nur die qPCR Daten bestätigt und eine spezifische Proteinexpression der Zielmoleküle in den endolymphatischen Epithelien nachgewiesen werden, sondern auch mögliches molekulares Korrelat für die Unterschiede im ultrastrukturellen Erscheinungsbild der TJ im ED und ES identifiziert werden: Claudin 3, ein starkes barrierebildendes Claudin, dessen Überexpression auch mit eine deutliche Zunahme der TJ Komplexität einhergeht, konnte in den Schnittpräparaten im ES vor allem in den TJ lokalisiert werden, während im ED eine basolaterale Lokalisation unabhängig von TJ vorherrschend war. Dies könnte somit die zahlreichen membranären Berührungspunkte und das komplexere Erscheinungsbild der TJ des ES erklären und eine Begründung für die seichten TJ im ED Bereich liefern.
Interessanterweise konnte in den Schnittpräparaten für einige Claudine wie Claudin 4, 6 oder 16 auch eine primär zytoplasmatische Lokalisation detektiert werden. Eine Translokation von Claudinen aus dem Zytoplasma in die TJ und Vice Versa aufgrund von poststranslationalen Modifikationen wurde bereits in zahlreichen Veröffentlichungen als Mechanismus zur Regulation der parazellulären Barriereeigenschaften beschrieben. Daher wurde im letzten Teil der vorliegenden Arbteit die Frage beleuchtet, ob in endolymphatischen Epithelien die parazellulären Barrieremoleküle auch über ähnliche Mechanismen regulierbar sind. Tatsächlich konnte in ES Präparaten, die mit dem ADH Analogon dDAVP stimuliert wurden, eine Translokation von Claudin 4 aus dem Zytoplasma in die membranären Kompartimente sowie die TJ beobachtet werden. ADH ist ein Hormon, das in einigen Studien mit einer Dysregulation der endolymphatischen Flüssigkeits- und Ionenhomöostase und der Entwicklung des Morbus Meniere assoziiert ist. Aufgrund der Tatsache, dass in ES Epithelien bereits die Expression von V2R und AQP2 gezeigt wurde, wurden primär transzelluläre Mechanismen bei der Entwicklung des MM in Analogie zur renalen Physiologie postuliert. Die Tatsache allerdings, dass in der vorliegenden Studie dDAVP die Translokation von Claudin 4 in die TJ induzieren konnte, legt den Schluß nahe, dass bei der endolymphatischen Flüssigkeits und Ionenhomöostase auch parazelluläre Mechanismen beteiligt sein könnten.