Inhaltszusammenfassung:
Das menschliche Gehirn zeigt im Zustand ruhender Wachheit (Resting-State) kohärente Muster neuronaler Aktivität, die sich als niederfrequente Signalschwankungen mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) nachweisen lassen. Funktionelle Konnektivität (FC) beschreibt die Synchronität dieser Signalschwankungen in umschriebenen Hirnregionen, die dann als Ruhenetzwerke (RSNs) bezeichnet werden. Die Untersuchung dieser Netzwerke ist insbesondere im Kontext von ZNS-Erkrankungen interessant. Für die hier durchgeführte Studie konnten fMRT-Daten von 17 gesunden Probanden und 17 Patienten mit Friedreich-Ataxie erhoben werden. Bei dieser neurodegenerative Erkrankung handelt es sich um die häufigste Form einer erblichen Ataxie. Der klinische Zustand der Patienten wurde mit dem SARA-Score und PATA-Test bewertet. Für die Analyse der Resting-State-Aufnahmen wurde ein explorativer Ansatz mit der unabhängigen Komponentenanalyse (ICA) gewählt. Nach einer Vorverarbeitung zur Reduktion von Störeinflüssen wurden die fMRT-Daten in 75 unabhängigen Komponenten (ICs) zerlegt. Die Auswahl der RSNs repräsentierenden ICs erfolgte in einem mehrstufigen Prozedere, das sowohl räumliche Eigenschaften als auch Frequenz-Charakteristiken berücksichtigt. Neben dem direkten Vergleich der FC innerhalb der RSNs bei den Patienten und gesunden Probanden wurde auch die Korrelation der FC mit den klinischen Parametern (SARA- und PATA-Wert) untersucht. Es konnten alle bekannten Ruhenetzwerke (Basalganglien-, auditorisches, sensomotorisches, visuelles, Default-Mode-, Aufmerksamkeits- und frontales Netzwerk) identifiziert werden – sowie ein Sprachnetzwerk. Im Vergleich der Patienten mit den gesunden Probanden konnte eine verminderte FC der Patienten im rechten frontoinsulären Kortex (rFIC) des Salienznetzwerks (Teil des Aufmerksamkeitsnetzwerks) festgestellt werden. Eine positive Korrelation der FC mit dem PATA-Wert zeigte sich im anterioren zingulären Kortex und im Gyrus frontalis medius des Salienznetzwerks. Negative Korrelationen der FC mit dem SARA-Score fanden sich in mehreren RSNs, die die Basalganglien und Teile des auditorischen, sensomotorischen und visuellen Kortex mit einschließen. In einem Teil des Sprachnetzwerks im linken Gyrus temporalis superior, einer zuvor als „Area Spt“ bezeichneten Region, korrelierte die FC positiv mit dem SARA-Score. Die gefundenen Unterschiede in der FC und ihre Korrelationen mit dem klinischen Schweregrad lassen sich im Rahmen bestehender Kenntnisse über die betroffenen, funktionellen Hirnregionen interpretieren. So könnte bspw. die verminderte FC der Patienten im rFIC ein Hinweis auf eine gestörte Vermittlung im Informationsfluss zwischen Default-Mode- und zentralem Exekutivnetzwerk sein und sich somit auch auf die motorischen Handlungen der Patienten auswirken. Diese Arbeit demonstriert die weitreichenden Möglichkeiten einer hypothesenfreien Untersuchung des Gehirns im Ruhezustand.