Inhaltszusammenfassung:
Ziel dieser Dissertation ist es Mechanismen des lokalen und regionalen Lebensumfelds herauszu-arbeiten, und zu analysieren inwiefern diese einen Beitrag zur Erklärung sozialer Ungleichheiten im Bildungsverlauf, insbesondere dem Übergang von der Schule in die berufliche und akademi-sche Ausbildung, leisten. Hierbei soll ein tieferes Verständnis davon erlangt werden, wo sich rele-vante Kontexteffekte lokalisieren lassen. Dies erfordert eine flexible Analyse sozialräumlicher Kontexte. Zu diesem Zweck werden bestehende Analysekonzepte um eine räumlich flexible Konzeptualisierung erweitert. Ferner werden sozialräumliche Kontextbedingungen hinsichtlich ihrer Wechselbeziehung mit bekannten bildungsrelevanten Kontexten, wie dem familialen Umfeld und dem Schulkontext untersucht. Der Schwerpunkt dieser Dissertation liegt in der Auseinander-setzung mit Übergängen im späteren Bildungsverlauf, da anzunehmen ist, dass diese deutlich von soziostrukturellen Bedingungen des Wohnumfelds beeinflusst werden, insbesondere auch, weil individuelle räumliche Mobilität in einem Alter relevant wird, in dem das Ende der allgemein bil-denden Schulkarriere unmittelbar bevorsteht.
Im Rahmen der drei empirischen Studien dieser Dissertation werden Kontextdaten auf Basis ad-ministrativer Einheiten im Zeitreihenformat mit Daten aus zwei großen Längsschnitterhebungen zusammengeführt. In der ersten und dritten empirischen Studie wird auf den Übergang von der allgemein bildenden Schule in die duale Berufsausbildung fokussiert. Darüber hinaus erfolgt in der dritten Studie eine nähere Betrachtung des Übergangs von der dualen Ausbildung in den Ar-beitsmarkt. Der Fokus der zweiten Studie liegt hingegen auf dem Übergang von der Sekundarstufe in das Hochschulstudium.
Die empirischen Befunde weisen darauf hin, dass sozialräumliche Kontextfaktoren – insbesonde-re Arbeitslosigkeit und Bildungsinfrastruktur aber auch Bevölkerungszusammensetzung – Einfluss auf Übergänge in die berufliche und akademische Ausbildung nehmen. Dabei sind die verschie-denen sozialräumlichen Indikatoren nicht gleichermaßen relevant. Ferner zeigen Analysen über längere Zeiträume, dass der gleiche Indikator über unterschiedliche Implikationen verfügt: So wird der Einfluss von Arbeitsmarktbedingungen auf den Übergang in die berufliche Ausbildung in strukturelle Unterschiede zwischen Regionen, kurzfristige konjunkturelle Schwankungen und langfristige Entwicklungen differenziert. Darüber hinaus zeigt sich, dass Kontexteffekte eine spe-zifische räumliche Struktur und Ausdehnung aufweisen, die mittels fixer administrativer Einheiten nur unzureichend abgebildet werden kann. Mit Blick auf ungleichheitsrelevante Fragestellungen von besonderer Bedeutung ist, dass sozialräumliche Kontexte für verschiedene soziale Gruppen (z.B. nach elterlichem Sozialstatus oder schulischer Vorbildung) nicht gleichermaßen bedeutsam sind.
Mit der Integration von Aspekten der Räumlichkeit kontextueller Effekte in entscheidungstheore-tische Modelle zeigt die Dissertation theoretische Möglichkeiten auf, die über das Thema der Bil-dungsentscheidungen und Bildungsübergänge hinaus Anwendung finden können. Daneben parti-zipiert die Arbeit an einer hochaktuellen Forschungsdebatte, die sich mit der Verwendung räumli-cher Analyseverfahren im Zusammenhang mit Modellen zur Analyse von (Bildungs-)Ungleichheit befasst. Auch hier ist die Übertragbarkeit auf ein breiteres Spektrum empirischer Fragestellungen denkbar.
Die zentralen Befunde zum Einfluss sozioökonomischer und soziostruktureller Kontexte auf Bil-dungschancen können als relevant für politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger sowie für Fachpersonal im Bildungswesen erachtet werden.