Inhaltszusammenfassung:
Der suizidale Erythrozytentod, auch als “Eryptose” bezeichnet, ist eine besondere Form des Zelltodes, den Erythrozyten vor ihrer Seneszenz eingehen können. Verschiedene Xenobiotika, endogene Mediatoren und Erkrankungen verursachen eine Eryptose, ein Prozess, der durch morphologische Veränderungen wie z.B. durch die Umlagerung von Phospholipiden der Zellmembran („scrambling“) und Zellschwund gekennzeichnet ist. Mechanistisch wird die Eryptose durch eine erhöhte intrazelluläre Calciumkonzentration, welche wiederum durch einen erhöhten Calciumeinstrom durch nicht-selektive Kationenkanäle ausgelöst wird, eingeleitet. Die erhöhte zytosolische Calciumaktivität stimuliert Scramblasen was zur Translokation von Phosphatidylserin (PS) an die Erythrozytenoberfläche führt. Dieses Phänomen führt auch zur Aktivierung der Ca2+-abhängigen Kaliumkanäle was einen Ausstrom von Kalium und Wasser und einen anschließenden Zellschwund zur Folge hat. Andererseits kann eine Eryptose auch durch Ceramid eingeleitet werden, welches unabhängig von einer erhöhten intrazellulären Calciumkonzentration agieren kann. Das erythrozytäre Überleben wird außerdem durch eine zelluläre osmotische und energetische Homöostase und einem Redoxgleichgewicht reguliert. Eine Bandbreite an Signalmolekülen wie z.B. Kinasen sind für die Regulation der Eryptosemaschinerie bedeutend. Da eryptotische Erythrozyten schnell durch Makrophagen aus der Blutbahn eliminiert werden, könnte eine übermäßige Eryptose zur Entstehung einer Anämie führen insofern der Verlust an Erythrozyten nicht durch eine Produktion neuer Erythrozyten ausgeglichen wird. Es ist bekannt, dass eine vorherrschende Anämie die Lebensqualität von Patienten mit Lungenkrebs und akuter Herzinsuffizienz beeinträchtigt. Eine vorliegende Anämie kann als wichtiger Prognosefaktor für den Verlauf dieser Erkrankungen herangezogen werden. Im ersten Teil der vorliegenden Dissertation wurde die Hypothese, eine erhöhte Eryptose trage zur Entstehung einer mit Lungenkrebs und akuter Herzinsuffizienz assoziierten Anämie bei, untersucht. Die vorliegenden Daten zeigen, dass Patienten, die entweder an Lungenkrebs oder akuter Herzinsuffizienz leiden, eine erhöhte Retikulozytose aufweisen was auf einen erhöhten Erythrozytenumsatz hinweist. Den vorliegenden Beobachtungen zufolge ist die erythrozytäre Phosphatidylserinexposition bei Lungenkrebs ohne und mit zytostatischer Behandlung im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe deutlich erhöht. Die Erythrozyten der Lungenkrebspatienten zeigen ein erhöhtes Forward Scatter (stellvertretend für das Zellvolumen) und ein erhöhtes Level an oxidativem Stress und Ceramid. Diese Effekte könnten auf Komponenten im Plasma der Lungenkrebspatienten zurückgeführt werden. In ähnlicher Art und Weise zeigen auch Patienten mit akuter Herzinsuffizienz einen erhöhten Prozentsatz an Phosphatidylserin-exponierenden Erythrozyten, begleitet von einem erniedrigten Forward Scatter und erhöhtem oxidativem Stress. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die vorliegenden Daten auf die Eryptose als einen bedeutenden Mechanismus in der Pathogenese der Anämie bei Lungenkrebs- und akuten Herzinsuffizienzpatienten hinweisen. Im zweiten Teil der vorliegenden Dissertation wurde die Rolle von Gαi2, einem G-Protein gekoppelten Rezeptorprotein, im erythrozytären Überleben untersucht. Mögliche Funktionen des Gαi2-abhängigen Signalweges in zellkernhaltigen Zellen umfassen die Regulation von Ionenkanälen sowie Zelldifferenzierung, Proliferation und Apoptose. Die vorliegenden Daten belegen die Expression von Gαi2 sowohl in murinen als auch in menschlichen Erythrozyten und erläutern den Einfluss von Gαi2 auf das Überleben der kernlosen Erythrozyten. Zu diesem Zweck wurden Erythrozyten aus Gαi2-defizienten (Gαi2-/-) und den dementsprechenden Wildtypmäusen (Gαi2+/+) isoliert. Die Erythrozyten betreffenden Parameter waren in beiden Mäusen, Gαi2-/- und Gαi2+/+, ähnlich. Das mittlere korpuskuläre Volumen und die Leukozytenzahl war allerdings in Gαi2-/- Mäusen signifikant höher. Anhand der May-Grünwald-Färbung konnten keine nennenswerten Unterschiede in der Morphologie zwischen Gαi2+/+ und Gαi2-/- Erythrozyten verzeichnet werden. Das mittlere korpuskuläre Volumen war allerdings in Gαi2-/- Mäusen signifikant höher. Die spontane PS-Exposition der in der Blutbahn zirkulierenden Gαi2-/- Erythrozyten war im Vergleich zu den Gαi2+/+ Erythrozyten signifikant niedriger. Die PS-Exposition war nach einer ex vivo Exposition gegenüber pathophysiologischen Zellstressoren wie hyperosmolarem Schock (+550 mM Saccharose) und nach Behandlung mit bakterieller Sphingomyelinase und C6 Ceramid in den Gαi2-/- Erythrozyten im Vergleich zu Gαi2+/+ Erythrozyten signifikant niedriger. Die erythrozytäre Gαi2-Defizienz schwächte die durch den hyperosmolaren Schock erhöhte Calciumaktivität und den Zellschwund ab. Desweiteren waren die Gαi2-/- Erythrozyten gegenüber osmosensitiver Hämolyse resistenter als die Gai2+/+ Erythrozyten. Insgesamt zeigen die vorliegenden Daten, dass eine Gαi2-Defizienz der Erythrozyten einen teilweisen Schutz gegenüber dem suizidalen Erythrozytentod verleiht.